5A_485/2016: Rechtzeitige Beschwerde; Erfordernis eines reformatorischen Berufungsbegehrens

Die B. AG (Beschw­erdegeg­ner­in) klagte gegen die A. AG (Beschw­erde­führerin) und ver­langte, das Konkur­samt Affoltern am Albis sei anzuweisen, die Forderung der A. AG über CHF 95’000 aus dem Kol­loka­tion­s­plan im Konkurs der E. AG in Liq­ui­da­tion zu weisen. Das Bezirks­gericht Affoltern hiess die Klage gut, ohne eine mündliche Ver­hand­lung zur Erstat­tung der Rep­lik und Dup­lik durchzuführen.

Vor Oberg­ericht Zürich beantragte die Beschw­erde­führerin in ihrer Beru­fung, das Urteil des Bezirks­gerichts sei aufzuheben und die Sache zurück­zuweisen. Ein refor­ma­torisches Rechts­begehren stellte sie nicht. Da nur ein Rück­weisungsantrag vor­lag, trat das Oberg­ericht nicht auf die Beru­fung ein (Urteil 5A_485/2016 vom 19. Dezem­ber 2016, E. 2.2).

Vor Bun­des­gericht war zunächst strit­tig, ob die Beschw­erde ans Bun­des­gericht rechtzeit­ig der Post übergeben wurde. Die Beschw­erde­frist lief am 27. Juni 2016 ab. Gemäss Frankatur wurde die Beschw­erde jedoch erst am 28. Juni 2016 der Post übergeben (E. 1.2.2). Auf­grund der vorge­bracht­en Indizien liess sich das Bun­des­gericht davon überzeu­gen, dass die Beschw­erde rechtzeit­ig erfol­gte (E. 1.2.3 i.f.).

Gemäss Sach­darstel­lung der Beschw­erde­führerin gab die Anwalt­sas­sis­tentin die Sendung am 27. Juni 2016 vor 18.00 Uhr am Postschal­ter ab. Die Post habe den Brief ent­ge­gengenom­men, dann aber wieder ins Post­fach der Kan­zlei gelegt mit der Mit­teilung «Bitte Frankieren, danke». Im Quit­tungs­büch­lein sei «ohne frankiert» ver­merkt wor­den (E. 1.2.2).

Das Bun­des­gericht erwog, dass die Post gemäss ihren Geschäfts­be­din­gun­gen für Geschäft­skun­den auch ungenü­gend frankierte Sendun­gen ent­ge­gen­nimmt. Nach Auf­fas­sung des Bun­des­gerichts war deshalb der Man­gel ungenü­gen­der oder fehlen­der Frankatur verbesser­lich und die Beschw­erde rechtzeit­ig der Post übergeben wor­den. Der Ein­wand der Beschw­erdegeg­ner­in, die Beschw­erde­führerin habe am 28. Juni 2016 eine neu datierte Beschw­erde ein­gere­icht, weshalb nicht nachgewiesen sei, dass am 27. Juni 2016 dieselbe Beschw­erde­schrift der Post übergeben wor­den sei, hörte das Bun­des­gericht nicht (zum Ganzen E. 1.2.3).

Weit­er entsch­ied das Bun­des­gericht, das Oberg­ericht Zürich habe zu Unrecht auf ein refor­ma­torisches Rechts­begehren bestanden. Die Frage, ob ein refor­ma­torisches Begehren vor­liege, stelle sich für die Rechtsmit­telin­stanz erst, wenn sie eine Heilung der Gehörsver­let­zung in Betra­cht ziehe und sel­ber refor­ma­torisch entschei­den wolle. Vor Bun­des­gericht war nicht strit­tig, dass das Bezirks­gericht sowohl das rechtliche Gehör der Beschw­erde­führerin und deren Anspruch auf ein öffentlich­es Ver­fahren ver­let­zt hat­te. Die Gehörsrüge sei formeller Natur. Die Ver­let­zung des Gehör­sanspruchs führe deshalb ungeachtet der materiellen Begrün­de­theit des Rechtsmit­tels zur Aufhe­bung des ange­focht­e­nen Entschei­ds. Eine Heilung der Gehörsver­let­zung komme nur aus­nahm­sweise in Betra­cht. Das Oberg­ericht habe sich aber nicht dazu geäussert, ob es die Gehörsver­let­zung geheilt hätte, wenn ein refor­ma­torisch­er Antrag vorgele­gen wäre. Das Bun­des­gericht wies deshalb die Angele­gen­heit zurück ans Oberg­ericht (zum Ganzen E. 2.3).