2C_886/2015: Kanton Basel-Landschaft kommt Gesetzgebungsauftrag nicht nach / Gemeinden können Mehrwertabgabe i.S.v. Art. 5 Abs. 1 RPG erheben (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 16. Novem­ber 2016 befasste sich das BGer mit der Muta­tion des Zonen­re­gle­ments Sied­lung der Gemeinde Münchenstein/BL. Im Sep­tem­ber 2013 änderte die Ein­wohn­erge­mein­de­v­er­samm­lung das Zonen­re­gle­ment dahinge­hend, dass Grun­deigen­tümer, deren Grund­stück neu ein­er Bau­zone zugewiesen wird (Ein­zo­nung) oder deren Grund­stück eine erhe­blich gesteigerte Nutzungsmöglichkeit erfährt (Auf­zo­nung), eine Mehrw­ertab­gabe von 40 % resp. 25 % zu leis­ten haben. Nach­dem der Regierungsrat des Kan­tons Basel-Land­schaft die von der Gemeinde beantragte Genehmi­gung der Ergänzungs­bes­tim­mungen ver­weigerte, gelangte die Gemeinde München­stein bis vor BGer, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Sowohl der Regierungsrat als auch das Kan­ton­s­gericht des Kan­tons Basel-Land­schaft stellen sich auf den Stand­punkt, dass die Ein­führung ein­er Mehrw­ertab­gabe nicht in den Kreis der Auf­gaben falle, welche die Gemeinde unter Beru­fung auf die Kan­tonsver­fas­sung zur selb­ständi­gen Erledi­gung in Anspruch nehmen könne.

Das BGer ist ander­er Ansicht und hält ein­lei­t­end fest, dass der Geset­zge­ber des Kan­tons Basel-Land­schaft dem bun­desrechtlichen Geset­zge­bungsauf­trag der Ein­führung ein­er Mehrw­ertab­gabe bish­er nicht nachgekom­men sei. Art. 5 Abs. 1 RPG (Raum­pla­nungs­ge­setz; SR 700) nehme den Kan­ton in die Pflicht, ohne zu bes­tim­men, ob die Mehrw­ertab­gabe durch den Kan­ton oder die Gemeinde einge­führt wer­den soll. Indessen könne die Gemeinde nur dann geset­zge­berisch tätig wer­den, wenn es sich um eine Auf­gabe von lokaler Bedeu­tung handle:

Die Erhe­bung ein­er Mehrw­ertab­gabe ste­ht […] in engem Zusam­men­hang mit der Ort­s­pla­nung, und die lokale Bedeu­tung kann ihr nicht mit dem Argu­ment abge­sprochen wer­den, dass eine solche Auf­gabe sin­nvoller­weise auf kan­tonaler Ebene wahrzunehmen wäre. Vielmehr ver­hält es sich umgekehrt: Solange der Kan­ton von sein­er Geset­zge­bungskom­pe­tenz nicht Gebrauch macht und die Mehrw­ertab­gabe wed­er sel­ber regelt noch den Rah­men set­zt, inner­halb welchem die Gemein­den verpflichtet oder befugt sind, Mehrw­ertab­gaben zu erheben, kann den Gemein­den nicht ver­wehrt sein, diese Auf­gabe in eigen­er Kom­pe­tenz wahrzunehmen, weil sie eng mit der ihnen obliegen­den Ort­s­pla­nung verknüpft ist […]. (E. 4.2.3.) 

Schliesslich sei die Gemeinde auch unter dem Gesicht­spunkt der Finanzkom­pe­tenz zur Erhe­bung der Mehrw­ertab­gabe berechtigt. Einzig als Steuern zu qual­i­fizierende Abgaben seien der Gemein­dekom­pe­tenz ent­zo­gen. Bei der Mehrw­ertab­gabe han­dle es sich indessen um eine koste­nun­ab­hängige Kausal­ab­gabe, welche ein Kor­re­lat zur Min­der­w­er­tentschädi­gung bei materieller Enteig­nung darstelle.

Das BGer kommt zum Schluss, dass der Entscheid der Vorin­stanz die Gemein­deau­tonomie ver­let­zte. Es hebt den Entscheid des Kan­ton­s­gerichts auf und weist die Sache an den Regierungsrat zurück zur Prü­fung der Einsprachen.