4A_10/2016: Arbeitsunfähigkeit als Versicherungsfall bei der Krankentaggeldversicherung (amtl. Publ.)

Die C. GmbH schloss mit der A. AG (Ver­sicherung) eine Kollek­tiv-Kranken-Lohnaus­fal­lver­sicherung ab. B. war Geschäfts­führer der C. GmbH und Ver­sichert­er. Er war auf­grund eines schw­eren Erschöp­fungssyn­droms und weit­er­er gesund­heitlich­er Beein­träch­ti­gun­gen in ärztlich­er Behand­lung und zeitweise arbeit­sun­fähig. Die Ver­sicherung lehnte indessen die Aus­rich­tung von Leis­tun­gen ab, da ein Deck­ung­sun­ter­bruch wegen nicht bezahlter Prämien bestanden habe.

Das Bezirks­gericht Willisau wies die Klage des Ver­sicherten ab. Das Kan­ton­s­gericht des Kan­tons Luzern hiess die Beru­fung des Ver­sicherten gut. Gegen diesen Entscheid erhob die Ver­sicherung Beschw­erde ans Bun­des­gericht. Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde gut und wies die Klage des Ver­sicherten ab (Urteil 4A_10/2016 vom 8. Sep­tem­ber 2016).

Umstrit­ten war zunächst, ob der C. GmbH die Mah­nung betr­e­f­fend die Ver­sicherung­sprämien zugestellt wor­den war. Die Ver­sicherung hat­te die Mah­nung lediglich als “A‑Post Plus”-Sendung ver­sandt (E. 2.1 und 2.2.1).

Das Bun­des­gericht erwog im Wesentlichen, dass die Sendung in den Briefkas­ten des Empfängers gelangte, habe der Absender zu beweisen. Bei der Zustel­lungsart A‑Post Plus liege ein Fehler bei der Postzustel­lung zwar nicht ausser­halb jed­er Wahrschein­lichkeit. Eine fehler­hafte Postzustel­lung sei allerd­ings nicht zu ver­muten, son­dern nur anzunehmen, wenn sie auf­grund der Umstände plau­si­bel erscheine. Rein hypo­thetis­che Über­legun­gen des Empfängers genügten dabei nicht (zum Ganzen E. 2.2.1).

Im konkreten Fall sah das Bun­des­gericht keine Umstände, die mit ein­er gewis­sen Wahrschein­lichkeit auf einen Fehler in der Postzustel­lung hingedeutet hät­ten (E. 2.2.3). Die Mah­nung galt deshalb als zugestellt und die Leis­tungspflicht der Ver­sicherung ruhte nach Ablauf der Mah­n­frist auf­grund des Verzugs (E. 2.2.3 und 2.3).

Strit­tig war weit­er, ob der Ver­sicherungs­fall während der Zeit­dauer des Verzugs einge­treten war (E. 2.3). Im Gegen­satz zur ersten Instanz ver­trat die zweite Instanz die Auf­fas­sung, der Ver­sicherungs­fall sei nicht erst im Zeit­punkt der aus­gewiese­nen Arbeit­sun­fähigkeit während der Verzugs­dauer einge­treten, son­dern bere­its im Zeit­punkt der Erkrankung als Primär­ereig­nis (Sachver­halt B.b).

Das Bun­des­gericht fol­gte der herrschen­den Lehre und bestätigte seine bish­erige Recht­sprechung. Danach wird bei der Kranken­taggeld­ver­sicherung die Arbeit­sun­fähigkeit als Ver­sicherungs­fall betra­chtet (E. 3.4, 3.6, 3.7.3). Das Bun­des­gericht sah bei dieser Lösung ins­beson­dere kaum ein Miss­brauchspoten­zial (E. 3.7.1).