8C_366/2014: BGer qualifiziert Beruf des Primarlehrers als typisch weibliche Tätigkeit — Überprüfung hinsichtlich indirekter Diskriminierung i.S.v. Art. 3 GlG möglich (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 1. Dezem­ber 2015 befasste sich das BGer mit ein­er als geschlechts­diskri­m­inierend beze­ich­neten Lohne­in­stu­fungsver­fü­gung, mit welch­er für die Pri­mar­lehrerin A. aus dem Kan­ton Aar­gau ein Brut­tolohn von Fr. 61’996.60 bei einem Beschäf­ti­gungs­grad von 60 % fest­gelegt wurde. Vor dem Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Aar­gau machte A. gel­tend, dass sie lohn­mäs­sig in geschlechts­diskri­m­inieren­der Weise i.S.v. Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 2 GlG (Gle­ich­stel­lungs­ge­setz, SR 151.1) ein­gerei­ht wor­den sei. Nach­dem ihre Begehren vom Ver­wal­tungs­gericht abgewiesen wur­den, gelangte A. an das BGer, welch­es die Beschw­erde gutheisst und die Sache zur neuen Entschei­dung an die Vorin­stanz zurückweist.

A. bringt in ihrer Beschw­erde vor, dass sie als Lehrper­son Primarstufe/Einschulungsklasse einen typ­is­chen, im Ver­gle­ich zu anderen gle­ich­w­er­ti­gen Tätigkeit­en in der kan­tonalen Ver­wal­tung schlechter entlöh­n­ten Frauen­beruf ausübe. Das BGer führt dazu aus, dass dann ein direk­ter Anspruch (im Sinne eines sub­jek­tiv­en Indi­vid­u­al­rechts) auf einen diskri­m­inierungs­freien Lohn beste­he, wenn ein sach­lich unbe­grün­de­ter Loh­nun­ter­schied zum Nachteil ein­er geschlechtsspez­i­fisch iden­ti­fizierten Arbeit  nachgewiesen wer­den könne.

Die geschlechtsspez­i­fis­che Iden­ti­fizierung der benachteiligten Funk­tion ist somit Tatbe­standsvo­raus­set­zung, damit eine indi­rek­te Geschlechts­diskri­m­inierung in Frage kommt. Sie gren­zt den Anwen­dungs­bere­ich von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV bzw. Art. 3 GlG von dem­jeni­gen des all­ge­meinen Rechts­gle­ich­heits­ge­bots von Art. 8 Abs. 1 BV ab […] (E. 6.1.3.). 

Gemäss Aus­führun­gen des BGer liege der Frauenan­teil bei den Pri­mar­lehrkräften im Kan­ton Aar­gau deut­lich höher als 70 %. Auch sei die absolute Zahl der Beschäftigten nicht so klein, dass von ein­er zufäl­li­gen Geschlechter­verteilung gesprochen wer­den könne. Zudem gehe aus den im vorin­stan­zlichen Entscheid wiedergegebe­nen sta­tis­tis­chen Unter­la­gen her­vor, dass es sich dabei um eine gesamtschweiz­erische Erschei­n­ung han­dle. Das BGer kommt zum Schluss, dass sowohl im Kan­ton Aar­gau als auch lan­desweit der Frauenan­teil am Pri­mar­lehrper­son­al merk­lich höher als 70 % liege und diese Funk­tion deshalb heute — anders als vor eini­gen Jahren — als nicht mehr geschlecht­sneu­tral, son­dern frauen­spez­i­fisch betra­chtet wer­den müsse.

Abschliessend hält das BGer fest, dass das vor­liegende Ergeb­nis nicht zur Fest­stel­lung führe, dass Pri­mar­lehrkräfte im Kan­ton Aar­gau lohn­mäs­sig diskri­m­iniert seien. Vielmehr sei nun die Voraus­set­zung gegeben, damit geprüft wer­den könne, ob die von A. behauptete indi­rek­te Diskri­m­inierung im Sinne von Art. 3 GlG vor­liege oder nicht.