4F_15/2014: Keine Berücksichtigung der Verjährung in einem Asbestfall; Zulässigkeit der Revision (amtl. Publ.)

D. arbeit­ete seit 1962 als Maschi­nen­schloss­er und Tur­binen­mon­teur bei der E. und später als Tur­binen­tech­niker bei deren Recht­snach­fol­gerin­nen. Im Jahr 2004 wurde bei D. ein malignes Pleu­rame­sothe­liom (Brust­fel­lkerbs) diag­nos­tiziert, das am 10. Novem­ber 2005 zum Tod führte. Kurz vor seinem Tod hat­te D. beim Arbeits­gericht Baden Teilk­lage ein­gere­icht, mit der Begrün­dung, die Erkrankung sei durch Asbest­ex­po­si­tion am Arbeit­splatz verur­sacht worden.

Das Arbeits­gericht Baden wies die Klage wegen Ver­jährung ab. Das Oberg­ericht des Kan­tons Aar­gau und das Bun­des­gericht kamen eben­falls zum Schluss, dass allfäl­lige Ansprüche abso­lut ver­jährt seien. Der Europäis­che Gericht­shof für Men­schen­rechte (EGMR) stellte jedoch eine Ver­let­zung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK fest. Die bei­den Töchter von D. stell­ten darauf ein Revi­sion­s­ge­such beim Bun­des­gericht, welch­es das Gesuch guthiess und die Sache zur Ergänzung des Sachver­halts und neuer Entschei­dung an das Arbeits­gericht Baden zurück­wies (Urteil 4F_15/2014 vom 11. Novem­ber 2015).

Das Bun­des­gericht stellte fest, dass die Revi­sion gemäss Art. 122 BGG zuläs­sig war, nach­dem die Abteilun­gen des höch­sten Gerichts einen Mei­n­ungsaus­tausch gemäss Art. 23 BGG zur Ausle­gung von Art. 122 lit. b BGG durchge­führt hat­ten (E. 1 und 2). Let­ztere Bes­tim­mung set­zt voraus, dass eine Entschädi­gung nicht geeignet ist, die Fol­gen der EMRK-Ver­let­zung auszugleichen.

Im vor­liegen­den Fall hat­te der EGMR das Begehren der Gesuch­stel­lerin­nen auf eine Entschädi­gung abgewiesen, da zwis­chen der Kon­ven­tionsver­let­zung und dem gel­tend gemacht­en Schaden kein Kausalzusam­men­hang beste­he (E. 2.2.2). Das Bun­des­gericht hat­te zu entschei­den, ob in dieser Kon­stel­la­tion eine Revi­sion nach Art. 122 lit. b BGG aus­geschlossen ist. Das Bun­des­gericht erwog, dass die Revi­sion in dieser Kon­stel­la­tion zuläs­sig sein müsse, da son­st wed­er der EGMR noch das Bun­des­gericht die materiellen Inter­essen der Gesuch­stel­lerin­nen inhaltlich geprüft hätte (E. 2.2.4).

Weit­er erwog das Bun­des­gericht, in diesem Einzelfall dürfe die Ver­jährung nicht berück­sichtigt wer­den, da der EGMR eine Ver­let­zung des Rechts auf Zugang zum Gericht fest­gestellt habe. Da die schweiz­erischen Gerichte bis­lang lediglich die Ver­jährungs­frage geprüft hat­ten, war deshalb die Sache an das Arbeits­gericht Baden zurück­zuweisen (E. 3).