4A_178/2015: Ein Privatgutachten stellt im Zivilprozess kein Beweismittel dar (amtl. Publ.)

A. (Beschw­erde­führer) erhob beim Ver­sicherungs­gericht des Kan­tons Aar­gau Klage gegen die Ver­sicherung B. AG (Beschw­erdegeg­ner­in), mit der er eine Kranken­taggeld­ver­sicherung nach VVG abgeschlossen hat­te. Das Ver­sicherungs­gericht wies die Klage ab, woge­gen A. Beschw­erde in Zivil­sachen ein­re­ichte. Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde teil­weise gut, hob das vorin­stan­zliche Urteil auf und wies die Sache zur Ergänzung des Sachver­halts und neuer Entschei­dung an das kan­tonale Ver­sicherungs­gericht zurück (Urteil 4A_178/2015 vom 11. Sep­tem­ber 2015).

Dem kan­tonalen Ver­sicherungs­gericht lagen ver­schiedene ärztliche Beurteilun­gen sowie ein Pri­vatgutacht­en vor, welch­es die Beschw­erdegeg­ner­in bei einem Facharzt FMH für Psy­chi­a­trie und Psy­chother­a­pie in Auf­trag gegeben hat­te. Die Vorin­stanz würdigte die ein­gere­icht­en Akten und stellte mass­ge­blich auf das von der Beschw­erdegeg­ner­in ein­gere­ichte Pri­vatgutacht­en ab. Das Ver­sicherungs­gericht erachtete es als über­wiegend wahrschein­lich, dass der Beschw­erde­führer ab 1. Okto­ber 2011 keine rel­e­vante Arbeit­sun­fähigkeit aufgewiesen habe (E. 2.1). Dage­gen brachte der Beschw­erde­führer erfol­gre­ich vor, das von der Beschw­erdegeg­ner­in ein­gere­ichte Pri­vatgutacht­en gelte zivil­prozes­su­al nicht als Beweis­mit­tel, son­dern nur als blosse Parteibehaup­tung (E. 2.2).

Das Bun­des­gericht erwog, dass im Zivil­prozess­recht ein numerus clausus der Beweis­mit­tel beste­ht (E. 2.5.1). Auf­grund ein­er sys­tem­a­tis­chen und his­torischen Inter­pre­ta­tion der ZPO erkan­nte das Bun­des­gericht, dass ein Pri­vatgutacht­en kein gerichtlich bestelltes Gutacht­en im Sinne von Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO darstellt (E. 2.5.2).

Da der Geset­zge­ber die Pri­vatgutacht­en nicht mit den gerichtlich bestell­ten Gutacht­en gle­ich­set­zen wollte, ist es im Zivil­prozess nicht möglich, Pri­vatgutacht­en als Urkun­den im Sinne von Art. 168 Abs. 1 lit. b ZPO doch noch als Beweis­mit­tel zuzu­lassen (E. 2.5.3). Im Zivil­prozess stellt somit ein Pri­vatgutacht­en kein Beweis­mit­tel dar (E. 2.6). Pri­vatgutacht­en weisen im Zivil­prozess nur die Qual­ität bloss­er Parteibehaup­tun­gen auf. 

Liegt der Sach­darstel­lung ein­er Partei ein Pri­vatgutacht­en zugrunde, gel­ten die Vor­brin­gen regelmäs­sig als beson­ders sub­stanziert. Die Anforderun­gen an eine sub­stanzierte Bestre­itung sind deshalb entsprechend höher. Zur Bestre­itung ist mithin eine klare Äusserung erforder­lich, dass der Wahrheits­ge­halt ein­er bes­timmten und konkreten geg­ner­ischen Behaup­tung infrage gestellt wird.

Die bestrit­te­nen Aus­führun­gen in einem Pri­vatgutacht­en ver­mö­gen daher allen­falls zusam­men mit anderen Indizien, die durch ein Beweis­mit­tel nachgewiese­nen sein müssen, den Beweis zu erbrin­gen. Liegen dage­gen keine zivil­prozes­sualen Beweis­mit­tel vor, dür­fen sub­stanziert bestrit­tene Tat­sachen­be­haup­tun­gen in einem Pri­vatgutacht­en nicht als erwiesen erachtet wer­den (vgl. zum Ganzen E. 2.6).