5A_658/2014: Carl Hirschmann — Persönlichkeitsverletzungen durch Medien; Bestimmtheit des Rechtsbehrens; “Mitwirkung” durch Verlinkung?;

Nach Medi­en­bericht­en über Carl Hirschmann, in denen Hirschmann diverse Charak­ter­män­gel und Ver­hal­tensweisen vorge­wor­fen wur­den, klagte dieser vor dem Han­dels­gericht Zürich gegen Tame­dia, 20 Minuten und Espace Media u.a. auf Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit bes­timmter Aus­sagen, auf Schaden­er­satz und auf Genug­tu­ung. Das HGer ZH hat­te die Klage teil­weise gut­ge­heis­sen und wenige Artikel als per­sön­lichkeitsver­let­zend beurteilt.

Das BGer hat­te in seinem (stel­len­weise eher wie eine Rechtss­chrift for­mulierten) Urteil zunächst die Zuläs­sigkeit des Unter­las­sungs­begehrens zu beurteilen. Zur Bes­tim­mung der zu unter­lassenden Aus­sagen hat­te der Kläger bes­timmte Aus­sagen aneinan­derg­erei­ht und sodann die Unter­las­sung von Aus­sagen “in diesen For­mulierun­gen oder in ähn­lichen For­mulierun­gen mit
gle­ichem Sin­nge­halt” ver­langt. Das war laut HGer ZH zu unbes­timmt. Das BGer widerspricht: 

Dreht sich der Stre­it um ein Ver­bot kün­ftiger Medi­en­mit­teilun­gen, kann vom Kläger nicht ver­langt wer­den, in seinem Begehren in allen Einzel­heit­en den Text vorherzuse­hen und auszu­for­mulieren, mit dem das beklagte Medi­enun­ternehmen seine Per­sön­lichkeit zu ver­let­zen dro­ht […]. Der Kläger muss das erwartete rechtswidrige Ver­hal­ten also nur der Gat­tung nach, das heisst in ein­er Weise umschreiben, die inhaltlich eine bes­timmte Band­bre­ite an ver­bote­nen Aus­druck­sweisen und For­mulierun­gen erfasst und trotz­dem keinen Zweifel daran lässt, worin die befürchtete Per­sön­lichkeitsver­let­zung besteht. 

[…] Sind Rechts­begehren nach Treu und Glauben auszule­gen, so kann es den Beschw­erde­führern […] nicht zum Nachteil gere­ichen, wenn ihr Antrag, so wie sie ihn […] for­mulieren, im Falle ein­er Gutheis­sung der Unter­las­sungsklage nicht wortwörtlich zum Urteil erhoben wer­den kann. Erweist sich die Meth­ode des Ver­weis­es auf die Fest­stel­lungs­begehren, die sich die Beschw­erde­führer zunutze machen, für die Nieder­schrift des Urteilsspruchs als ungeeignet, so ist es dem Richter ohne weit­eres zuzu­muten, mit eige­nen Worten das Ver­bot zu for­mulieren, dessen Inhalt die Beschw­erde­führer mit ihrem Begehren hier in rechts­genü­gen­der Weise vorze­ich­nen.

Das BGer bemerkt fern­er, dass nicht an der Ver­let­zung “mitwirkt” und nicht nach ZGB 28 I pas­sivle­git­imiert ist, wer einen all­ge­meinen Link auf eine Web­site set­zt, auf der sich per­sön­lichkeisver­let­zende Inhalte befind­en. Dies gelte zumin­d­est dann, wenn der Link nicht auf eine eigene Web­site oder auf die Web­site eines selb­st her­aus­gegebe­nen Presseerzeug­niss­es führt. 

Das BGer geht sodann der Frage nach, ob ein öffentlich­es Inter­esse an der Berichter­stat­tung über Hirschmann beste­he. Es bejaht diese Frage, indem es kurz­er­hand Nach­frage und öffentlich­es Inter­esse gleichsetzt:

Das Inter­esse am Tun und Treiben dieser bisweilen als
Cerve­lat-Promi­nenz” beze­ich­neten sozialen Gruppe wird von ein­er Sparte
der Medi­en­welt bedi­ent, für die Begriffe wie Boulevardjournalismus,
Regen­bo­gen­presse oder Peo­ple­jour­nal­is­mus geläu­fig gewor­den sind. […] Dieses Genre der Medi­en­berichter­stat­tung zeichnet
sich beson­ders dadurch aus, dass Akteure, Medi­en und Öffentlichkeit eine
Art Sym­biose miteinan­der pfle­gen: Ökonomisch lohnt sich eine
Berichter­stat­tung über das beschriebene Umfeld bzw. die dort
verkehren­den Leute für die Medi­en nur, wenn sie sich auf dem Pressemarkt
abset­zen lässt
, die fraglichen Inhalte in der weit­eren Öffentlichkeit
also auf Inter­esse stossen. Dieses öffentliche Inter­esse wiederum hängt
davon ab, dass die Pseu­do-Promi­nen­ten mit schlagzeilenträchtigen
Auftrit­ten, Ereignis­sen oder auch nur Gerücht­en in Erschei­n­ung treten. […] 

Fol­glich sei die Fest­stel­lung des Han­dels­gerichts richtig, dass sich Hirschmanns 
Pri­vat­sphäre enger bemisst als jene eines
unbekan­nten Zeitgenossen, auch wenn Hirschmann wed­er eine absolute noch eine rel­a­tive Per­son der Zeit­geschichte sei.

Sodann beurteilt das BGer einige weit­ere Artikel als per­sön­lichkeitsver­let­zend, im Wesentlichen aus fol­gen­den Gründen:

  • Speku­la­tive Unter­stel­lun­gen aus Sen­sa­tion­s­gi­er, die “bei allem Ver­ständ­nis für die Lust bre­it­er Gesellschaftss­chicht­en an Speku­la­tio­nen über den Lebenswan­del der Boulevardprominenz”;
  • eine ungewisse Tat­sache wird als gegeben dargestellt, was der Ver­bre­itung ein­er Unwahrheit gle­ichkomme bzw. die Unschuldsver­mu­tung verletze.

Schliesslich weist das BGer den Fall ans HGer ZH zurück, das zu prüfen hat, ob Hirschmann durch “Masse, Inten­sität und All­ge­gen­wär­tigkeit” der Berichter­stat­tung in sein­er Per­sön­lichkeit ver­let­zt wurde und ob ein Genug­tu­ungsanspruch besteht.