4A_47/2015: Teilverzicht auf Hauptverhandlung nach Art. 233 ZPO

In ein­er ver­sicherungsrechtlichen Auseinan­der­set­zung äusserte sich das Bun­des­gericht zur Frage, ob mit einem pauschal erk­lärten Verzicht auf Durch­führung ein­er mündlichen Hauptver­hand­lung nach Art. 233 ZPO stets ein Gesamtverzicht bewirkt wird oder auch nur auf einzelne Ver­fahrenss­chritte verzichtet wer­den kann (Urteil 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015).

Das Bun­des­gericht bejahte die Zuläs­sigkeit eines Teil­verzichts, verneinte jedoch im konkreten Fall die Ver­let­zung des Gehör­sanspruchs, da das Gericht kein Beweisver­fahren durch­führte und deshalb die Klage nach der Verzicht­serk­lärung der Parteien direkt und ohne schriftliche Stel­lung­nahme zur Sache abgewiesen wer­den kon­nte (E. 3.3).

Zur Frage der Zuläs­sigkeit eines Teil­verzichts hielt das Bun­des­gericht fol­gen­des fest (E. 3.2):

“Nach Art. 228 ff. ZPO haben die Parteien Anspruch auf die Durch­führung ein­er mündlichen Hauptver­hand­lung. Art. 233 ZPO
gibt ihnen aber die Möglichkeit, gemein­sam auf die Durch­führung einer
solchen zu verzicht­en. Ein Verzicht auf eine Hauptver­hand­lung dient in
erster Lin­ie der Ver­fahrens­beschle­u­ni­gung und ist ins­beson­dere dann
angezeigt, wenn eine Bewe­is­führung nicht mehr nötig ist
[…].

In der Lehre wer­den ver­schiedene Auf­fas­sun­gen dazu vertreten, was
ein solch­er Verzicht umfasst. So meint eine (Min­der­heits-) Meinung,
dass ein Verzicht nach Art. 233 ZPO stets einen Gesamtverzicht bewirke, wom­it die Hauptver­hand­lung mit ihren drei Unter­ab­schnit­ten (Parteiver­hand­lung […], Beweisver­hand­lung […], Schlussver­hand­lung […]) als Ganzes ent­falle und das Ver­fahren direkt im Entscheidstadium […]
wieder fort­ge­set­zt werde. […] Mit einem Verzicht werde somit direkt ein Gerichtsentscheid
ver­langt, gestützt auf die vorgängig ein­gere­icht­en Rechtss­chriften und
die übri­gen Akten. […]. 

Die
Mehrheit der Autoren ist der Mei­n­ung, dass die Parteien mit einem
Verzicht nach Art. 233 ZPO
sowohl auf die voll­ständi­ge Hauptver­hand­lung (Parteivorträge,
Beweisver­fahren, Schlussvorträge) als auch nur auf einen der drei
Teil­ab­schnitte verzicht­en kön­nten; ein Teil­verzicht somit möglich sei […].

Die Mehrheitsmei­n­ung überzeugt; ein Verzicht nach Art. 233 ZPO
lässt einen Teil­verzicht zu. Die Parteien kön­nen somit sowohl auf die
gesamte Hauptver­hand­lung als auch auf nur einen Teilabschnitt -
Parteivorträge, Beweis­ab­nahme oder Schlussvorträge — verzicht­en, wobei
ein pauschal erk­lärter Verzicht nicht per se als Gesamtverzicht zu
werten ist.