4A_286/2014: Signalisation “Schleudergefahr” als genügende Sofortmassnahme bei übermässig glattem Fahrbelag

Der Beschw­erde­führer stürzte mit seinem Motor­rad auf ein­er über­mäs­sig glat­ten Strasse. Er schlit­terte über den Asphalt unter das Heck eines kor­rekt parkierten Liefer­wa­gens und zog sich dabei schwere Ver­let­zun­gen zu. Das Bun­des­gericht musste prüfen, ob die Voraus­set­zun­gen für eine Werkeigen­tümer­haf­tung erfüllt waren und verneinte diese Frage (Urteil 4A_286/2014 vom 15. Jan­u­ar 2015):

“6.3.1. Ein Strassen­verkehrsteil­nehmer darf grund­sät­zlich von ein­er guten und sicheren Strasse aus­ge­hen […] Mit der von der Beschw­erdegeg­ner­in […] auf bei­den Fahrtrich­tun­gen im betr­e­f­fend­en Bere­ich (teils mobil) aufgestell­ten Signaltafeln “Schleud­erge­fahr”, welche bei­d­seit­ig auf einen Strassen­ab­schnitt von 900 m beschränkt wur­den, musste der Beschw­erde­führer mit einem Hin­der­nis auf der Fahrbahn bzw. mit ein­er ungenü­gend grif­fi­gen Strasse rech­nen. Das Sig­nal “Schleud­erge­fahr” warnt vor über­mäs­sig glat­tem Belag der Fahrbahn (Art. 5 SSV). Der Beschw­erde­führer wurde mit diesem Sig­nal somit aus­drück­lich auf den glat­ten bzw. rutschi­gen Strassen­ab­schnitt aufmerk­sam gemacht, was von ihm denn auch gar nicht bestrit­ten wird. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob eine “ein­fache” Sig­nal­i­sa­tion als Sofort­mass­nahme auf die gemäss dem Bericht des B. ungenü­gen­den Grif­figkeitswerte aus­re­ichend war bzw. die richtige Mass­nahme dargestellt hat, um auf die ungewöhn­lichen Ver­hält­nisse auf der Strasse U. hinzuweisen. 

6.3.2. Mit ein­er ver­gle­ich­baren Frage hat sich das Bun­des­gericht in BGE 116 II 645 (Urteil C.302/1984 vom 9. Okto­ber 1990 E. 4) befasst. Dabei ging es eben­falls um einen Verkehrsun­fall, der auf eine ungenü­gend grif­fige Strasse zurück­zuführen war. In diesem Fall wurde der Strassen­be­lag auf dem betr­e­f­fend­en Strassen­ab­schnitt rund ein Monat vor dem Unfall mit einem Pro­dukt gegen Eis­bil­dung behan­delt, wobei dem Jus­tiz- und Polizei­de­parte­ment noch vor dem Unfall Mel­dun­gen einge­gan­gen sind, wonach die Strasse dadurch sehr rutschig und gefährlich gewor­den sei und sich bere­its mehrere Unfälle ereignet hät­ten. Obwohl in bei­den Fahrtrich­tun­gen das Sig­nal “Schleud­erge­fahr” ange­bracht wurde, kam das Bun­des­gericht zum Schluss, dass dieses ungenü­gend war, um auf die vor Ort herrschen­den ungewöhn­lichen Ver­hält­nisse bzw. den man­gel­haften Strassen­be­lag hinzuweisen. […] Entsprechend bejahte das Bun­des­gericht einen Werkmangel […].

6.4. Vom Vor­liegen ein­er solchen ungewöhn­lichen Sit­u­a­tion bzw. von der­art ungewöhn­lichen Ver­hält­nis­sen auf der Strasse U. kann vor­liegend jedoch nicht die Rede sein. Mit der Auf­stel­lung des Sig­nals “Schleud­erge­fahr” als Sofort­mass­nahme wurde in genü­gen­der Weise auf die glat­te Fahrbahn aufmerk­sam gemacht, denn wie die Vorin­stanz fest­gestellt hat, ist eine ungenü­gende Grif­figkeit im Bere­ich von µ = 0.4 kaum spür­bar, was vom Beschw­erde­führer denn auch gar nicht in Abrede gestellt wird. Daran ver­mag nichts zu ändern, dass das Hand­buch als Sofort­mass­nahme (anstelle der Anbringung ein­er Sig­nal­i­sa­tion) eine Aufrau­ung des Strassen­be­lags vorge­se­hen hätte. Denn wie der Beschw­erde­führer sel­ber dar­legt, stellt das Hand­buch bloss ein Leit­faden dar, der sich an die Fachkräfte richtet und somit wed­er einen zwin­gen­den noch weisenden Charak­ter aufweist. Hinzu kommt, dass im Hand­buch eine Aufrau­ung als Reparatur­mass­nahme bei Ober­flächenglätte nur exem­plar­isch, und damit nicht abschliessend, neb­st anderen (Sofort) Mass­nah­men aufgezählt wird. Namentlich ergibt sich aus dem Hand­buch auch nicht, ab welchem (ungenü­gen­den) Grif­figkeitswert der­ar­tige Mass­nah­men, wie sie im Hand­buch vorge­se­hen sind, hät­ten durchge­führt wer­den sollen. Es ist also unklar, ab welchem Grif­figkeitswert als Sofort­mass­nahme eine Aufrau­ung des Strassen­be­lags (wenn über­haupt) hätte erfol­gen sollen. […]
Eine Aufrau­ung wäre auch im Rah­men der Zumut­barkeit­sprü­fung […] nicht ver­hält­nis­mäs­sig gewe­sen, da unbe­strit­ten­er­massen geplant war, den Strassen­be­lag innert kürzester Zeit (zwei Monate) zu sanieren. Hätte die Strasse vor­erst aufger­aut wer­den müssen, wäre eine voll­ständi­ge Sanierung der Strasse im gle­ichen Jahr wohl nicht mehr möglich gewe­sen, wie dies der Zeuge C. vom ASTRA aus­ge­sagt hat. […]”