4A_482/2014: Kündigung eines Mietverhältnisses während der Sperrfrist (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat­te in diesem Ver­fahren erst­mals Gele­gen­heit, sich zur Frage zu äussern, ob die Anfecht­barkeit ein­er in der Sper­rfrist während bzw. nach Abschluss eines mietrechtlichen Schlich­tungs- oder Gerichtsver­fahrens aus­ge­sproch­enen Kündi­gung (Art. 271a Abs. 1 lit. d OR) die Ken­nt­nis des Ver­mi­eters vom hängi­gen Ver­fahren voraus­set­zt. Bei­de Vorin­stanzen hat­ten die Kündi­gung nicht als treuwidrig betra­chtet, da der Ver­mi­eter im Zeit­punkt der Kündi­gungsaussprache keine Ken­nt­nis von der Hängigkeit des Ver­fahrens hat­te oder haben kon­nte (E. 2.1). Die Lehre ver­tritt zu dieser Frage gegen­teilige Mei­n­un­gen (E. 2.4).

Der Wort­laut von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR — so das Bun­des­gericht — sei hin­sichtlich dieser Frage unscharf und biete keine Hand­habe, den Beginn der Sper­rfrist auf den Zeit­punkt hin­auszuschieben, in dem der
Ver­mi­eter über das hängige Ver­fahren ori­en­tiert werde oder nach Treu und
Glauben davon Ken­nt­nis haben könne. Vielmehr spreche der Wort­laut die ganze Dauer der Recht­shängigkeit an, ohne für deren Beginn die Ken­nt­nis des Ver­mi­eters von der Ein­leitung des Ver­fahrens vorauszuset­zen (E. 2.6).

Sinn und Zweck dieser Kündi­gungss­chutzbes­tim­mung wür­den gegen eine ein­schränk­ende Ausle­gung des zeitlichen Kündi­gungss­chutzes sprechen. Die Kündi­gung durch den Ver­mi­eter während der Sper­rfrist unter­liege denn auch, mit Ver­weis auf die Botschaft, der geset­zlichen Ver­mu­tung, dass sie zweck­fremd zur Vergel­tung einge­set­zt wor­den sei. Zwar könne dem Ver­mi­eter vor­liegend nicht unter­stellt wer­den, er habe wegen eines missliebi­gen Gerichtsver­fahrens gekündigt. Trotz­dem werde ein solch­es Vergel­tungsmo­tiv vom Geset­zge­ber mit den zeitlichen Kündi­gungss­chutzbes­tim­mungen fin­giert. Vor diesem Hin­ter­grund habe das Bun­des­gericht in einem früheren Ver­fahren denn auch erkan­nt, dass die Ver­mi­eterkündi­gung, die während eines Schlich­tungs- oder Gerichtsver­fahrens im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR erfol­gt, unab­hängig davon anfecht­bar ist, ob sie tat­säch­lich miss­bräuch­lich sei (BGE 131 III 33). Entsprechend könne für die zeitliche Fix­ierung der Sper­rfrist auch nicht auss­chlaggebend sein, ob das ver­mutete Rachemo­tiv beim Ver­mi­eter tat­säch­lich vor­liege bzw. auf­grund entsprechen­der Ken­nt­nis über­haupt vor­liegen könne (E. 2.7).

Schliesslich bestätige die sys­tem­a­tis­che Betra­ch­tung diese Ausle­gung. Art. 271a Abs. 3 OR zäh­le diejeni­gen Fälle abschliessend auf, bei deren Vor­liegen die geset­zlichen Ver­mu­tun­gen des zeitlichen Kündi­gungss­chutzes wider­legt seien bzw. Aus­nah­men vom zeitlichen Kündi­gungss­chutz beste­hen. Daneben gehe das Bun­des­gericht in sein­er Recht­sprechung von ein­er fehlen­den Miss­bräuch­lichkeit aus, wenn der Ver­mi­eter mit der erneuten Kündi­gung lediglich eine aus formellen Grün­den (insb. For­m­man­gel) als nichtig oder unwirk­sam erkan­nte Kündi­gung “wieder­hole” (z.B. BGer 4C.252/2002 vom 8. Novem­ber 2002 E. 3.1). Abge­se­hen von diesem Grund beste­he kein Grund, den zeitlichen Kündi­gungss­chutz über die geset­zlich bes­timmten Aus­nah­me­fälle hin­aus weit­er einzuschränken (E. 2.8).

Schliesslich weise die Lehre zu Recht darauf hin, dass eine der­ar­tige zusät­zliche Voraus­set­zung für die Anfecht­barkeit der Kündi­gung wenig prak­tik­a­bel wäre und der Rechtssicher­heit ent­ge­gen­stünde. Demge­genüber werde mit der “Klagean­hebung” an einen leicht bes­timm­baren Zeit­punkt angeknüpft, was der Rechtssicher­heit diene (E. 2.9).

Zusam­men­fassend greift nach Ansicht des Bun­des­gerichts der zeitliche Kündi­gungss­chutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR mit der Klagean­hebung bis zur recht­skräfti­gen Erledi­gung des Ver­fahrens, unab­hängig davon, wann der Ver­mi­eter über das Ver­fahren ori­en­tiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wis­sen können.