2C_960/2013: Staatshaftung nach Widerruf einer rechtswidrig erteilten Baubewilligung

A. (nach­fol­gend “Bauherr”) führt einen Land­wirtschafts­be­trieb. Er ersuchte um die Bewil­li­gung eines Bau­vorhabens “Abbruch Schweinestall sowie Neubau Schweinestall (Mut­ter­schweine)”. Hand­schriftlich hielt er auf dem Gesuch fest: “keine Mehrbe­las­tung zu erwarten”. Die Baube­wil­li­gung wurde von den Behör­den erteilt. Das Gemein­deamt für Land­wirtschaft hielt fest, da kein Gesamtkonzept für den Betrieb vor­liege, kön­nten die gewässer­schutzrechtlichen Anforderun­gen nicht geprüft wer­den. Allfäl­lige Aufla­gen seit­ens des kan­tonalen Amts für Umweltschutz blieben vor­be­hal­ten. Das amtliche Schreiben ging in Kopie an das Amt für Raum­pla­nung und an das Amt für Umwelt. Ohne weit­ere Abklärun­gen zu tre­f­fen, erteilte die Ein­wohn­erge­meinde die Baube­wil­li­gung. Darin hielt sie fest, die Richtlin­ien zur Tier­schutzverord­nung seien einzuhal­ten und etwaige gewässer­schutzrechtliche Aufla­gen des Amtes für Umwelt blieben vorbehalten.

Die Baube­wil­li­gung war rechtswidrig erteilt wor­den, was aber erst fest­gestellt wurde, nach­dem der Schweinestall erstellt und in Betrieb genom­men wor­den war. Die Nach­barn beschw­erten sich nach der Inbe­trieb­nahme über die vom Schweinestall aus­ge­hen­den Geruch­sim­mis­sio­nen, worauf das Bau- und Jus­tizde­parte­ment des Kan­tons Solothurn fest­stellte, die Baute entspreche nicht der kan­tonalen Luftrein­hal­teverord­nung, weshalb sie formell rechtswidrig sei. Sie sei aber auch materiell rechtswidrig, da die Min­destab­stände gegenüber bewohn­ten Flächen nicht einge­hal­ten wor­den seien. In der Folge wurde in gerichtlichen Ver­fahren darüber gestrit­ten, ob die Baube­wil­li­gung zu wider­rufen war. Das Ver­wal­tungs­gericht wider­rief schliesslich die rechtswidrige Baube­wil­li­gung und  ord­nete an, der Bauherr müsse die Schweinezucht inner­halb von weni­gen Monate aufgeben.

Der Bauherr legte gegen das Urteil des Ver­wal­tungs­gerichts kein Rechtsmit­tel ein, klagte aber gegen die Ein­wohn­erge­meinde und den Kan­ton auf Schaden­er­satz. Diese macht­en unter anderem gel­tend, da das Urteil nicht weit­erge­zo­gen wor­den sei, fehle es an ein­er Voraus­set­zung für den Staat­shaf­tung­sprozess. Dies ergebe sich aus dem Grund­satz “Bestandess­chutz vor Ver­mö­genss­chutz” (Urteil 2C_960/2013 vom 28. Okto­ber 2014 E. 4.2.1).

Das Bun­des­gericht wies auf die Unter­schiede der Staat­shaf­tung gestützt auf das kan­tonale Ver­ant­wortlichkeit­srecht und die ver­fas­sungsrechtliche Ver­trauen­shaf­tung gestützt auf Art. 9 BV hin. Während die Staat­shaf­tung auf wider­rechtlichem Han­deln beruht, leit­et sich eine öffentlich-rechtliche Ver­trauen­shaf­tung grund­sät­zlich aus recht­mäs­sigem Staat­shan­deln ab (E. 3.4.2).

Aus dem Wider­ruf ein­er wider­rechtlich erteil­ten Ver­fü­gung könne sich aber auch ein Ver­trauenss­chaden ergeben. Der Schaden werde in solchen Fällen nicht durch die wider­rechtlich erlassene Ver­fü­gung verur­sacht, son­dern sei vielmehr die Folge von Dis­po­si­tio­nen, die im Ver­trauen auf die (damals unrichtige) Beurteilung der Voraus­set­zun­gen zur Erteilung der Bewil­li­gung getrof­fen wor­den waren und sich nach dem Wider­ruf der Ver­fü­gung als nut­z­los erweisen. Das Unrecht liege nicht in der recht­mäs­sig ergan­genen Wider­rufsver­fü­gung, son­dern darin, dass wegen dieser und der früher geschaf­fe­nen Ver­trauensgrund­lage ein Schaden einge­treten sei (E. 3.4.4).

Daraus zog das Bun­des­gericht den Schluss, dass der Bauherr nicht gehal­ten war, das Urteil des Ver­wal­tungs­gerichts über alle Instanzen anzufecht­en. Er durfte vielmehr sogle­ich auf Schaden­er­satz kla­gen und das die Baube­wil­li­gung wider­rufende Urteil recht­skräftig wer­den lassen (E. 4.2.2 bis 4.2.4).