4A_592/2013: Verjährungsunterbrechung durch Einreichen eines Schlichtungsgesuchs an die unzuständige Behörde

Die Y. GmbH bestellte von der X. GmbH 12’000 Tee­box­en aus Bam­busholz  mit bedruck­tem Verkauf­skar­ton. Die Käuferin erhob eine Män­gel­rüge, da die Box­en ange­blich von Schim­mel befall­en waren und vielfach ver­rostete Beschläge aufwiesen. Im Prozess war aber nicht nur strit­tig, ob und inwiefern Män­gel an den Tee­box­en fest­gestellt wur­den, son­dern auch, ob die Ver­jährung rechtzeit­ig unter­brochen wor­den war.

Die Klägerin hat­te eine Klage gestützt auf die Klage­be­wil­li­gung des Frieden­srichter­amtes beim Bezirks­gericht Aarau ein­gere­icht. Nach­dem das Bezirks­gericht auf die Zuständigkeit des Han­dels­gerichts aufmerk­sam gemacht hat­te, zog die Klägerin ihre Klage zurück und das Ver­fahren wurde abgeschrieben. Vor Bun­des­gericht stellte sich deshalb die Frage, ob und wann die Ver­jährung durch das Ein­re­ichen eines Schlich­tungs­ge­such­es an die sach­lich unzuständi­ge Schlich­tungs­be­hörde unter­brochen wor­den war (BGer. 4A_592/2013 vom 4. März 2014, E. 3).

Das Bun­des­gericht gelangte zum Ergeb­nis, die Ver­jährung sei unter­brochen wor­den, da die Klage inner­halb der Monats­frist von Art. 63 ZPO beim zuständi­gen Han­dels­gericht ein­gere­icht wor­den war und dadurch die Recht­shängigkeit rück­wirk­end auf den Zeit­punkt der Ein­re­ichung des Schlich­tungs­ge­such­es einge­treten war. Wörtlich erwog das Bun­des­gericht Folgendes:

3.1. Die Vorin­stanz führte aus, die Ver­jährung werde u.a. durch ein Schlich­tungs­ge­such oder eine Klage unter­brochen (Art. 135 Ziff. 2 OR). […] Dabei erwog die Vorin­stanz [unter anderem], zwar müsse die Schlich­tungs­be­hörde ihre Zuständigkeit prüfen und im Fall, dass sie sich als unzuständig erachte, die kla­gende Partei darauf aufmerk­sam machen, um ihr die Möglichkeit des Rück­zugs zu geben. […] Wenn der Schlich­tungs­be­hörde aber — abge­se­hen von den Fällen ein­er ihr zuste­hen­den Entschei­d­kom­pe­tenz (Art. 212 ZPO) — die Aus­fäl­lung eines Nichtein­tretensentschei­ds wegen Unzuständigkeit grund­sät­zlich abge­sprochen werde, so habe der Grund­satz, wonach nur das Gericht über die Zuständigkeit zu befind­en habe, auch für den vor­liegen­den Fall zu gel­ten, wo die sach­lich unzuständi­ge Schlich­tungs­be­hörde ohne Vor­nahme ein­er Prü­fung ihrer Zuständigkeit eine Klage­be­wil­li­gung aus­gestellt habe.
[…] Nach­dem die Beschw­erdegeg­ner­in innert einem Monat die Klage beim Han­dels­gericht ein­gere­icht habe, habe sie mit dem Schlich­tungs­ge­such vom 8. Sep­tem­ber 2011 die Ver­jährung rechtzeit­ig unterbrochen.

3.2. Dem ist zuzus­tim­men. Die Ein­re­ichung des Schlich­tungs­ge­suchs begrün­det die Recht­shängigkeit (Art. 62 ZPO). […] Recht­shängigkeit tritt ein, unab­hängig davon, ob die Prozessvo­raus­set­zun­gen gegeben sind oder nicht. Sie dauert als­dann an bis zur Recht­skraft des Nichtein­tretensentschei­ds […]. Die Wirkun­gen gemäss Art. 64 ZPO treten jedoch zunächst nicht ein, son­dern nur und erst — dann jedoch rück­wirk­end — wenn die Eingabe der zuständi­gen Instanz gemäss Art. 63 ZPO wieder ein­gere­icht wird […].
[…]
Entschei­dend ist somit, ob Art. 63 ZPO auch anwend­bar ist bei sach­lich­er Unzuständigkeit oder — wie die Beschw­erde­führerin gel­tend macht — nur bei örtlich­er. Das Bun­des­gericht hat in einem neueren Entscheid Art. 63 ZPO ohne weit­eres sowohl auf die örtliche wie die sach­liche Zuständigkeit bezo­gen (BGE 138 III 471 E. 6 S. 481). In einem kurze Zeit später ergan­genen, nicht pub­lizierten Entscheid liess es die Frage allerd­ings offen (Urteil 5A_376/2012 vom 16. Jan­u­ar 2013 E. 3.2); es gibt jedoch keinen Grund, von der in BGE 138 III 471 geäusserten Auf­fas­sung abzuwe­ichen. […] Man­gels ent­ge­gen­ste­hen­der Anhalt­spunk­te ist daher davon auszuge­hen, dass sich Art. 63 ZPO auf alle von der ZPO geregel­ten Zuständigkeit­en bezieht […].