4A_407/2012: Anforderungen an die Rüge von Verfahrensmängeln im Schiedsverfahren; rechtliches Gehör

Im vor­liegen­den Urteil weist das BGer eine Beschw­erde gegen ein Schied­surteil ab. Das BGer ging dabei prax­is­gemäss von fol­gen­dem Grund­satz aus:

3.1 Die Partei, die sich durch eine Ver­weierung des rechtlichen Gehörs oder einen anderen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG rel­e­van­ten Ver­fahrens­man­gel für benachteiligt hält, ver­wirkt ihre Rügen, wenn sie diese nicht rechtzeit­ig im Schiedsver­fahren vor­bringt und nicht alle zumut­baren Anstren­gun­gen untern­immt, um den Man­gel zu beseitigen […]

Die Beschw­erde­führerin­nen hat­ten konkret gel­tend gemacht, weniger Zeit als die Gegen­seite für Zeu­gen­be­fra­gun­gen erhal­ten zu haben. Dies hat­te sie im Schiedsver­fahren wie fol­gt vorge­bracht (Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll):

“[Rechtsvertreter der Beschw­erde­führerin­nen]: A short state­ment as to time and as to lan­guage. Just for the record, in our fig­ures I esti­mate that as the total time spent all togeth­er the Claimant has spent 18 hours and 50 min­utes, the Respon­dent only 13 hours and 3 min­utes, more than five hours less. (…) May I refer you to order num­ber 9 para­graph 7. ‘The par­ties will have equal time dur­ing the evi­den­tial hear­ing to use’ and it goes on, which con­firms this point. Mr Chair­man, reluc­tant­ly, and by no means per­son­al­ly, I have to raise in that respect objec­tions. The Respondent’s right to be heard and to be treat­ed equal­ly is real­ly at stake here. We had to reduce our ques­tions in chief, in cross and in re.”
”[Rechtsvertreter der Beschw­erde­führerin­nen]: Hav­ing heard Claimant has used more than 23 hours and we only 14 hours I think that my ini­tial remarks as to the imbal­ance of time are still main­tained.”
”[Rechtsvertreter der Beschw­erde­führerin­nen]: (…) I must say, I have not checked it, that we were stopped ask­ing ques­tions on sev­er­al occa­sions even if it now turns out that the Claimant are upfront more than nine hours. That is a point where I real­ly feel that we were at a disadvantage.”

Die (wohl ein­fach höflichen) Ein­wände des Anwalts waren aus Sicht des BGer allerd­ings nicht aus­re­ichend bestimmt:

Mit diesen Vor­brin­gen hat der Rechtsvertreter der
Beschw­erde­führerin­nen angetönt, dass sein­er Ansicht nach die
Gle­ich­be­hand­lung “auf dem Spiel” stünde und er das Gefühl habe, “im
Nachteil” zu sein. Dabei han­delt es sich zwar dur­chaus um Einwände
(“objec­tions”) bzw. (kri­tis­che) Bemerkun­gen (“remarks”) betr­e­f­fend die
Ver­fahrens­führung, eine hin­re­ichend deut­liche Rüge, das Ver­fahren leide
an einem Ver­fahrens­man­gel im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG, kann darin jedoch kaum gese­hen werden. 

Darüber hin­aus haben die Beschw­erde­führerin­nen keine Anträge auf Wieder­hol­ung bzw. Ergänzung von Zeu­genein­ver­nah­men gestellt und damit nicht alle zumut­baren Anstren­gun­gen unter­nom­men, um dem Schieds­gericht die Gele­gen­heit zu geben, die ange­bliche Ungle­ich­be­hand­lung zu beseit­i­gen. Damit war das Recht, sich vor Bun­des­gericht auf eine Ungle­ich­be­hand­lung i.S. von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG zu berufen, ver­wirkt.

Das BGer verneinte schliesslich eine Ver­let­zung des Anspruchs auf rechtlich­es Gehör wegen über­raschen­der Recht­san­wen­dung, obwohl sich das Schieds­gericht bei der Ausle­gung ein­er “rea­son­able endeavours”-Klausel [vgl. dazu den lesenswerten Auf­satz von Ken Adams] auf die Lehre vom Weg­fall der Geschäfts­grund­lage gestützt hat­te, was für das BGer “[…] nicht gän­zlich nachvol­lziehbar erschein[t]”. Mass­gebend war, für das BGer, dabei Folgendes:

Denn das Schieds­gericht hat seinen Entscheid nicht auf eine Auslegung
von Ziff. 8.5 abgestützt, mit welch­er die Beschwerdeführerinnen
über­haupt nicht rech­nen mussten. Es hat vielmehr einen Stan­dard an “best
endeav­ours” fest­gelegt, welch­er sich in der Band­bre­ite bewegt, die
durch die Parteivor­brin­gen abgesteckt war
. Wie die Beschw­erdegeg­ner­in in ihrer Vernehm­las­sung zutr­e­f­fend vor­bringt, war der vom Schieds­gericht ermit­telte Stan­dard denn auch argu­men­ta­tiv von den Parteien abgedeckt und die Parteien mussten damit rech­nen, dass das Schieds­gericht eine Lösung zwis­chen ihren extremen Stand­punk­ten find­en könnte.