4A_273/2012: “klare Fälle” iSv ZPO 257: Einwendungen der Gegenseite müssen nicht glaubhaft, sondern substantiiert und schlüssig sein (amtl. Publ.)

Nach ZPO 257 gewährt das Gericht Rechtss­chutz im sum­marischen Ver­fahren “in klaren Fällen”, d.h. wenn der Sachver­halt liq­uide und die Recht­slage klar ist. Der Sachver­halt muss also ohne zeitliche Verzögerung und ohne beson­deren Aufwand nachgewiesen wer­den kön­nen, in der Regel durch Urkun­den, und zwar mit dem Regel­be­weis­mass des Vollbeweises.

Fraglich ist dage­gen, was die Gegen­partei vorzubrin­gen hat, damit der Sachver­halt nicht mehr liq­uide ist. In der Lit­er­atur find­en sich im Wesentlichen zwei fol­gende Auffassungen:

  • erforder­lich ist glaub­hafte Bestre­itung (offen­sichtlich unbe­grün­dete oder halt­lose Bestre­itun­gen, über die sofort entsch­ieden wer­den kann, reichen dage­gen nicht); teil­weise wird dies auf die Botschaft und mit Hin­weis auf SchKG 82 II gestützt; oder
  • die Gegen­partei muss “kon­sis­tent und voll­ständig erhe­bliche Ein­wen­dun­gen oder Einre­den gel­tend machen”, die nicht halt­los erscheinen und umfan­gre­ich­er beweis­mäs­siger Abklärun­gen bedürfen.

  Das BGer entschei­det dies wie fol­gt:

Bei Gewährung des Rechtss­chutzes erge­ht […] ein defin­i­tives, der materiellen Recht­skraft fähiges Urteil […]. Mit Blick auf diese Wirkung ist vom Kläger mit der ein­hel­li­gen Lehre zu ver­lan­gen, dass er sofort […] den vollen Beweis […] für die anspruchs­be­grün­den­den Tat­sachen erbringt […]. Dies allein ist der rel­e­vante geset­zliche Massstab und nicht, ob der Beklagte seine Ein­wen­dun­gen glaub­haft gemacht hat oder nicht […]. Dem­nach muss es für die Vernei­n­ung eines klaren Fall­es genü­gen, dass der Beklagte sub­stanzi­iert und schlüs­sig Ein­wen­dun­gen vorträgt, die in tat­säch­lich­er Hin­sicht nicht sofort wider­legt wer­den kön­nen und die geeignet sind, die bere­its gebildete richter­liche Überzeu­gung zu erschüt­tern […]. Demge­genüber ist ein klar­er Fall zu beja­hen, wenn das Gericht auf­grund der Akten­lage zur Überzeu­gung gelangt, der Anspruch des Klägers sei aus­gewiesen und eine einge­hende Abklärung der beklagtis­chen Ein­wände könne daran nichts ändern.