4A_678/2011: Voraus-Verrechnungsverzicht des Hauptschuldners wirkt gegen Bürgen (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Fall ging die Gläu­bigerin ein­er Gesellschaft nach deren Konkurs gegen den Bür­gen für die Dar­lehens­forderung vor, der gle­ichzeit­ig einziger VR der betrof­fe­nen Gesellschaft war. Der Bürge wandte ein, die Gläu­bigerin habe die schuld­ner­ische Gesellschaft geschädigt, und brachte entsprechende Schaden­er­satz­forderun­gen zur Ver­rech­nung. Indessen hat­te die Schuld­ner­in bei der Dar­lehen­sauf­nahme mit Wis­sen des Bür­gen Ver­rech­nungsverzicht erk­lärt. Strit­tig war, ob sich der Bürge von der Gläu­bigerin diesen Ver­rech­nungsverzicht ent­ge­gen­hal­ten lassen musste.

Der Stre­it ste­ht vor fol­gen­dem Hin­ter­grund: Der Bürge ist zwar berechtigt, Einre­den des Schuld­ners vorzubrin­gen (OR 502 I und II). Er kann aber nicht Ver­rech­nung der Forderung des Gläu­bigers mit ein­er Forderung der Hauptschuld­ner­in erk­lären (BGE 126 III 25 E. 3b). Er hat aber immer­hin die Einrede von OR 121, d.h. ein Leis­tungsver­weigerungsrecht, solange dem Hauptschuld­ner die Einrede der Ver­rech­nung zuste­ht. Was gilt aber, wenn dieser auf die Ver­rech­nung­seinrede verzichtet hat?

Das BGer hält zunächst fest, dass OR 502 II auf die Ver­rech­nung  anwend­bar ist, obwohl diese Bes­tim­mung von Einre­den – und nicht, wie beim Ver­rech­nungsrecht, von Gestal­tungsrecht­en – spricht.

Das BGer hält fern­er fest, dass OR 502 II den Bür­gen davor schützen soll, dass seine Stel­lung nachträglich durch eine Vere­in­barung zwis­chen Hauptschuld­ner und Gläu­biger ver­schlechtert wird und deshalb hier nicht anwend­bar ist.

[OR 502 II] erfasst dem­nach nicht den hier zu beurteilen­den Fall, dass der Hauptschuld­ner vor Abschluss der Bürgschaft und mit Zus­tim­mung des Bür­gen auf Einre­den verzichtet hat.
Daraus fol­gt, dass sich der Bürge jeden­falls dann nicht auf Art. 502 Abs. 2 OR berufen kann, wenn er die Bürgschaft im Wis­sen darum einge­gan­gen ist, dass der Hauptschuld­ner gegenüber dem Gläu­biger auf die Ver­rech­nung verzichtet hat.