2C_927/2011: Unbescholtener Leumunds i.S.v. RAG 4 I; Verhältnis zur Strafbarkeit

Das BGer äussert sich im vor­liegen­den Urteil erneut zur Beurteilung des “unbescholte­nen Leu­munds” i.S.v. RAG 4 I. Das BVGer hat­te mit Urteil vom 5. Okto­ber 2011 zu Recht fest­ge­hal­ten, dass dabei ver­schiedene Ele­mente wie Integrität, Gewis­senhaftigkeit und ein­wand­freie Sorgfalt als beruf­sspez­i­fis­che Leu­mundsmerk­male oder all­ge­meine Eigen­schaften wie Anse­hen, Achtung und Ver­trauenswürdigkeit zu berück­sichti­gen sind. Auch Aktiv­itäten, die über die Tätigkeit als Revi­sor und Revi­sion­sex­perte hin­aus­ge­hen, kön­nen die Beurteilung ein­er ein­wand­freien Prüftätigkeit bee­in­flussen. Zu berück­sichti­gen sind ins­beson­dere auch die Vorschriften über die Unab­hängigkeit der Revi­sion­sstelle bei Aktienge­sellschaften nach OR 728 und 729 und (im konkreten Fall; der Betrof­fene war Mit­glied der Treuhand­kam­mer) die standesrechtlichen Unab­hängigkeits­bes­tim­mungen (Richtlin­ien zur Unab­hängigkeit).

Für das Ver­hält­nis zur Straf­barkeit gilt Folgendes:

Die Frage, ob eine Revi­sion­sstelle die notwendi­gen Voraus­set­zun­gen für die Zulas­sung erfüllt, und diejenige, ob allen­falls ein strafrechtlich zu sank­tion­ieren­des Ver­hal­ten vor­liegt, sind voneinan­der unab­hängig zu beurteilen. Es ist offen­sichtlich, dass dabei ein strafrechtlich rel­e­vantes Ver­hal­ten — han­dle es sich nun um einen nach RAG zu beurteilen­den Sachver­halt oder um ein ander­weit­ig unter Strafe gestelltes Ver­hal­ten — für die Beurteilung des für die Zulas­sung erforder­lichen guten Leu­mundes rel­e­vant sein wird. Daraus kann jedoch wed­er abgeleit­et wer­den, der­ar­tiges Ver­hal­ten könne auss­chliesslich unter dem Gesicht­spunkt der Straf­barkeit beurteilt wer­den, noch dass ein straf­bares Ver­hal­ten für Vernei­n­ung des unbescholte­nen Leu­mundes erforder­lich wäre.

Bei der Frage, ob bes­timmte Ver­fehlun­gen seinen beru­flichen Leu­mund und guten Ruf beein­trächti­gen und damit keine Gewähr für die ver­trauenswürdi­ge Ausübung der Revi­sion­stätigkeit und die getreue Ein­hal­tung der entsprechen­den Pflicht­en vor­liegt, hat die Auf­sichts­be­hörde grossen Beurteilungsspiel­raum, aber den Grund­satz der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit zu beacht­en. Dabei spielt ins­beson­dere eine Rolle, dass die Revi­sion­spflicht den Schutz von Inve­storen, von Per­so­n­en mit Min­der­heits­beteili­gun­gen, von Gläu­bigern bezweckt und der Unternehmen­süberwachung dient. Es sind daher strenge Anforderun­gen zu stellen. Gle­ich­wohl ist der Entzug der Zulas­sung ulti­ma ratio.

Im konkreten Fall schützt das BGer den Entzug der Zulas­sung, weil der Betrof­fene “mehrfach und fort­ge­set­zt in schw­er­wiegen­der Weise gegen die Bes­tim­mung der Unab­hängigkeit der Revi­sion­sstelle” ver­stossen hat­te. Das BVGer hat­te  ins­beson­dere zu Recht berück­sichtigt, dass der Beschw­erde­führer über einen lan­gen Zeitraum von fast zehn Jahren regelmäs­sig und mehrfach gegen die für seine Tätigkeit zen­tralen Unab­hängigkeitsvorschriften ver­stossen hat­te. Nach­dem er von der Revi­sion­sauf­sichts­be­hörde auf diesen Zus­tand hingewiesen wor­den sei, hat­te er ihn erst nach rund 1.5 Jagren bere­inigt. Das BGer hält dabei fest, dass bei ein­er eingeschränk­ten Revi­sion keine Abstriche von den Anforderun­gen an die Unab­hängigkeit der Revi­sion­sstelle zu machen sind.