1B_197/2011: Aufgaben des Strafverteidigers; Wechsel des Offizialverteidigers

Im Zusam­men­hang mit der Beurteilung ein­er Beschw­erde, die sich gegen die Ablehnung eines Gesuchs um Auswech­slung eines Offizialvertei­di­gers richtete, äussert sich das Bun­des­gericht im Urteil vom 14. Juli 2011 (1B_197/2011) erneut zu den Auf­gaben eines Strafverteidigers.

In Bestä­ti­gung sein­er Recht­sprechung (siehe z.B. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 126 I 194 E. 3d S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105) hält das Bun­des­gericht fest:

1.4 In den Gren­zen ein­er sorgfälti­gen und effizien­ten Ausübung des Offizial­man­dates ist die Wahl der Vertei­di­gungsstrate­gie grund­sät­zlich Auf­gabe des Vertei­di­gers. Zwar hat er die objek­tiv­en Inter­essen des Beschuldigten möglichst im gegen­seit­i­gen Ein­vernehmen und in Absprache mit diesem zu wahren. Der Vertei­di­ger agiert jedoch im Straf­prozess nicht als bloss­es unkri­tis­ches „Sprachrohr“ seines Klien­ten. Ins­beson­dere liegt es im Zweifels­fall im pflicht­gemässen Ermessen des Vertei­di­gers zu entschei­den, welche Beweisanträge und juris­tis­chen Argu­men­ta­tio­nen er als sachgerecht und geboten erachtet (vgl. […] auch Art. 134 Abs. 2 StPO).


Im vor­liegen­den Fall machte der Beschw­erde­führer gel­tend, seine Inter­essen als Angeklagter seien vom amtlichen Vertei­di­ger nicht aus­re­ichend wahrgenom­men wor­den. Aus Unzufrieden­heit über die Bedin­gun­gen eines vorzeit­i­gen Mass­nah­men­vol­lzuges hat­te er sich geweigert, seinen Offizialvertei­di­ger zu emp­fan­gen. Dieser wider­set­zte sich der Fort­führung des Man­dates aber nicht und beantragte in ein­er Stel­lung­nahme die Abweisung der Beschw­erde. Das Bun­des­gericht erkan­nte keine Pflichtver­säum­nisse des Anwalts. Zudem hät­ten die Man­dats­beziehun­gen zwis­chen­zeitlich wieder aufgenom­men wer­den kön­nen. Da ein­er weit­eren Zusam­me­nar­beit insofern nichts im Wege ste­he, erscheine eine effiziente Vertei­di­gung weit­er­hin gewährleis­tet (E. 1.7).

Das Bun­des­gericht tritt auf die Beschw­erde nicht ein und begrün­det die Entschei­dung wie folgt:

1.7 […] Im Übri­gen ergäbe sich aus ein­er Weigerung des Angeklagten, mit seinem Offizialvertei­di­ger sachgerecht zu kooperieren und diesem die grund­sät­zliche Wahl der Vertei­di­gungsstrate­gie (in Rah­men seines pflicht­gemässen Ermessens) zu über­lassen, auch materiell kein grun­drechtlich­er oder bun­des­ge­set­zlich­er Anspruch auf dessen Auswech­slung (vgl. […] auch Art. 134 Abs. 2 StPO).