1B_244/2011: Untersuchungs-/Sicherheitshaft und Rechtsschutzinteresse; Mitwirkung im Verfahren (amtl. Publ.)

Selb­st wenn man im Grunde rechthat, kann man im Unrecht sein, wenn man die erforder­liche Mitwirkung im Ver­fahren ver­mis­sen lässt. Diese Erfahrung musste ein Beschw­erde­führer machen, der fast zeit­gle­ich ein Gesuch um Bewil­li­gung des vorzeit­i­gen Strafvol­lzugs bei der Staat­san­waltschaft und eine Beschw­erde gegen die Ver­längerung der Unter­suchung­shaft vor dem Kan­ton­s­gericht ein­re­ichte. Das Bun­des­gericht hat seine Beschw­erde mit dem für die amtliche Samm­lung vorge­se­henen Urteil 1B_244/2011 vom 24. Juni 2011 als gegen­stand­s­los abgeschrieben.

Die Rüge des Beschw­erde­führers, es führe zu unnöti­gen und zeitrauben­den Weiterun­gen, wenn an Stelle des bere­its hängi­gen Rechtsstre­its um Ver­weigerung der Haftver­längerung ein neues Haf­tent­las­sungsver­fahren ange­hoben wer­den müsse, sei zwar nicht unbe­grün­det (E. 2.2.)

2.1 […]. Ein allen­falls laufend­es Ver­fahren gemäss Art. 227 StPO kann demzu­folge gegen­stand­s­los wer­den, wenn die sich in Unter- suchung­shaft befind­ende Per­son vorzeit­ig ihre Strafe antritt und das Inter­esse an der Über­prü­fung der Haftvo­raus­set­zun­gen ver­liert. Ein Ver­lust des Rechtss­chutz­in­ter­ess­es ist jedoch nicht zwin­gend. Der Häftling kann weit­er­hin in erster Lin­ie die Ent­las­sung aus der Haft anstreben und die Strafe vorzeit­ig antreten, weil er beispiel­sweise für den Fall des Scheit­erns sein­er Ent­las­sungs­be­mühun­gen das Strafvol­lzugsregime vorzieht […].

Der anwaltlich vertretene Beschw­erde­führer habe es aber an der in guten Treuen vorauszuset­zen­den Mitwirkung im Ver­fahren fehlen lassen, so dass er die sich aus man­gel­nder Infor­ma­tion des Gerichts ergeben­den Weiterun­gen und Ver­fahrensverzögerun­gen zumin­d­est mitverur­sacht habe (E. 2.3).

2.4 Wenn das Bun­des­gericht die vor­liegende Beschw­erde gutheis­sen würde, so müsste es den ange­focht­e­nen Entscheid aufheben und die Angele­gen­heit zur materiellen Beurteilung des Begehrens um Haft­beendi­gung an das Kan­ton­s­gericht zurück­weisen […]. Vor dieser Instanz hat der Beschw­erde­führer aber bere­its ein Beschw­erde­v­er­fahren um Haf­tent­las­sung anhängig gemacht, das er bis zum Erge­hen des bun­des­gerichtlichen Urteils hat ein­stellen lassen. Er hat somit sel­ber für die Verzögerung seines Begehrens um Beendi­gung der Haft durch die Vorin­stanz gesorgt und das Zuwarten zurzeit selb­st zu ver­ant­worten. Seine man­gel­hafte Mitwirkung hat zudem zur Folge, dass sich Dop­pel­spurigkeit­en und unnötige Weitläu­figkeit­en ergeben haben, was den Inter­essen der Prozessökonomie, die bei kor­rek­tem Vorge­hen für den Ein­wand des Beschw­erde­führers sprechen wür­den […], zuwiderläuft.
Da der Beschw­erde­führer vor dem Bun­des­gericht höch­stens eine Rück­weisung an die Vorin­stanz, bei der er bere­its ein inhaltlich gle­ich­es Begehren anhängig gemacht hat, erre­ichen kann, hat das bun­des­gerichtliche Urteil für ihn keinen prak­tis­chen Nutzen. Es fehlt ihm daher ein aktuelles Rechtss­chutz­in­ter­esse an der Beurteilung sein­er Beschw­erde; dieses ist während der Recht­shängigkeit des Ver­fahrens vor dem Bun­des­gericht dahingefallen.