6B_223/2010: Qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung

Das Bun­des­gericht hat mit Urteil vom 13. Jan­u­ar 2011 (6B_223/2010) eine Beschw­erde der OStA ZH gut­ge­heis­sen, die sich gegen einen Entscheid des OGer ZH wen­dete, in dem der Beschw­erdegeg­n­er vom Vor­wurf der mehrfachen qual­i­fizierten unge­treuen Geschäfts­be­sorgung (Art. 158 Ziff. 1 und 3 StGB) freige­sprochen wor­den war (mit Prozessentschädi­gung in Höhe von 21’520 CHF und Genug­tu­ung in Höhe von 900 CHF zzgl. Zins für die erlit­tene Untersuchungshaft).

Der Beschw­erdegeg­n­er X war bei der ACH-AG zunächst als stel­lvertre­tender Direk­tor sowie später als Direk­tor und als Direk­tion­s­mit­glied angestellt. In dieser Funk­tion liess er inner­halb von zwei Jahren elf Kom­mis­sion­szahlun­gen im Gesamt­be­trag von 1’463’532.50 CHF auf Kon­ten über­weisen, die ihm per­sön­lich zugerech­net wer­den kon­nten, statt diese den tat­säch­lich Berechtigten zukom­men zu lassen. Die Gelder waren von der Lon­don-Branch der A (ALN) im Zusam­men­hang mit der Platzierung ihrer struk­turi­erten Finanzpro­duk­te bei den End­ab­nehmern aus­gezahlt wor­den; die Zürcher Zweignieder­las­sung A (AZN) diente dabei als Über­weisungsstelle für die Kom­mis­sion­szahlun­gen nach den Zahlungsvor­gaben des X.

Strit­tig war ins­beson­dere die Frage, ob der Beschw­erdegeg­n­er seine Pflicht­en als Ver­mö­gensver­wal­ter ver­let­zt hat­te. Das BGer weist darauf hin, dass nach sein­er ständi­gen Recht­sprechung allein in der Ver­let­zung der ver­traglich vere­in­barten Her­aus­gabepflicht angenommen­er Gelder noch keine unge­treue Geschäfts­führung zu sehen sei:

3.4.3 […] Der Tatbe­stand von Art. 158 Ziff. 1 StGB ist nur erfüllt, wenn der Empfänger […] durch die Zahlung von Pro­vi­sio­nen oder Schmiergeldern zu einem Ver­hal­ten ver­leit­et wird, das sich gegen die Ver­mö­gensin­ter­essen des Geschäft­sher­rn […] richtet und sich daher schädi­gend auswirkt (vgl. zulet­zt BGE 129 IV 124 E. 4.1 mit Hin­weisen). Mit anderen Worten wird die Schwelle zur Straf­barkeit erst erre­icht, wenn der Beschw­erdegeg­n­er durch die Zahlung dazu ver­leit­et wurde, nachteilige Ver­wal­tungsentschei­de zu tre­f­fen, die […] zu einem Schaden geführt haben.

Im vor­liegen­den Fall ergab sich aus dem schriftlichen Arbeitsver­trag sowie gestützt auf Art. 321b OR, dass X als zu 100 % angestell­ter Bankmi­tar­beit­er ohne spezielle Bewil­li­gung der ACH-AG keinen Neben­er­werb gener­ieren durfte. Sämtliche Zahlun­gen, welche in bank­tech­nis­ch­er Hin­sicht über ihn abgewick­elt und die durch ihn ver­wal­tet wur­den oder in seinen Herrschafts­bere­ich gelangten, hat­te er grund­sät­zlich der ACH-AG zuzuführen sowie Rechen­schaft darüber abzule­gen, und zwar ungeachtet, welch­er Rechts­grund den entsprechen­den Zahlungs­flüssen zugrunde lag. Er war also ein intern­er Ver­mö­gensver­wal­ter mit sog. Bestandespflegekom­mis­sio­nen (E. 3.4.5). Es bestand keine rechtlich rel­e­vante Verknüp­fung zwis­chen dem Auf­trag des Kun­den zum Kauf von Fond­san­teilen und den ein­genomme­nen Ver­trieb­sentschädi­gun­gen der Bank. Dies ist auch die auss­chlaggebende Unter­schei­dung zu den Retrozes­sio­nen, welche unab­hängige Ver­mö­gensver­wal­ter von den Banken kassieren (siehe hierzu BGE 132 III 460). Bestandespflegekom­mis­sio­nen wer­den der Depot­bank nicht auf­grund des Auf­tragsver­hält­niss­es zwis­chen Kunde und Depot­bank bezahlt, son­dern für Dien­stleis­tun­gen, die gegenüber dem Pro­duk­tan­bi­eter erbracht wer­den (E. 3.4.5).

Die elf Kom­mis­sion­szahlun­gen der ALN standen somit der ACH-AG zu. Indem der Beschw­erdegeg­n­er die ihm von der ALN entrichteten Ver­trieb­sentschädi­gun­gen nicht sein­er Arbeit­ge­berin zukom­men liess, son­dern sich selb­st zuführte, ver­stiess er gegen seine arbeit­srechtliche Treuepflicht und richtete sich damit gegen die Ver­mö­gensin­ter­essen der Geschäft­sher­rin ACH-AG, welche dadurch eine Nichtver­mehrung der Aktiv­en hin­nehmen musste und direkt geschädigt wurde. Er hat sich somit ein­er mehrfachen qual­i­fizierten unge­treuen Geschäfts­be­sorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 StGB straf­bar gemacht, weshalb das Urteil der Vorin­stanz aufzuheben und zurück­zuweisen war (E. 3.4.5).