1B_172/2010: Anforderungen an Fluchtgefahr sowie Pass- und Schriftensperre

Das Bun­des­gericht bestätigt mit Urteil vom 25. Okto­ber 2010 (1B_172/2010) erneut seine Recht­sprechung zu den Anforderun­gen an eine Pass- und Schriftensperre, die als Ersatz­mass­nahme für eine straf­prozes­suale Haft und wegen Flucht­ge­fahr ver­hängt wird.

Für die Annahme von Flucht­ge­fahr bedarf es ein­er gewis­sen Wahrschein­lichkeit, dass sich der Angeschuldigte (ohne straf­prozes­suale Haft bzw. Ersatz­mass­nah­men für Haft) der Strafver­fol­gung und dem Vol­lzug ein­er allfäl­li­gen Sank­tion durch Flucht entziehen würde. Dabei darf die Schwere der dro­hen­den Strafe als ein Indiz für Flucht­ge­fahr gew­ertet wer­den. Zudem müssen die konkreten Umstände des betr­e­f­fend­en Fall­es, ins­beson­dere die gesamten Lebensver­hält­nisse des Angeschuldigten, in Betra­cht gezo­gen wer­den (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70 […]). Hierzu zählen die famil­iären und sozialen Bindun­gen des Betrof­fe­nen, dessen beru­fliche und finanzielle Sit­u­a­tion, Kon­tak­te ins Aus­land sowie psy­chis­che Auffälligkeiten.

Weniger streng sind die Voraus­set­zun­gen laut Bun­des­gericht zur Ver­fü­gung von milderen Ersatz­mass­nah­men wie ein­er Ausweis- und Schriftensperre, die ver­hängt wer­den kann, wenn der Angeschuldigte eines Ver­brechens oder Verge­hens drin­gend verdächtigt wird und bes­timmte Anhalt­spunk­te für einen beson­deren Haft­grund, ins­beson­dere Flucht­ge­fahr, vor­liegen (siehe z.B. § 17 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 18quater Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZG).

3.3 […] Bei blossen Ersatz­mass­nah­men für Haft sind an den Nach­weis ein­er hin­re­ichen­den Flucht­nei­gung grund­sät­zlich weniger hohe Anforderun­gen zu stellen (BGE 133 I 27 E. 3.3 S. 31 […]).