6B_5/2010: Anklageschrift bei Gewerbsmässigkeit

Im Urteil vom 30. Juni 2010 (6B_5/2010) äussert sich das Bun­des­gericht zur Beurteilung der Ver­fas­sungskon­for­mität von Anklageschriften, welche gestützt auf die mit dem Anklage­grund­satz ver­fol­gten Ziele zu erfol­gen habe. 

Der Beschw­erde­führer rügte die Entschei­dung der Vorin­stanz, welche ihn wegen gewerb­smäs­si­gen Inverkehrbrin­gens von Arzneimit­teln ohne Zulas­sung (Art. 86 Abs. 1 lit. b und 2 HMG) schuldig gesprochen hat­te, dass Beginn und Ende des Delik­t­szeitraumes gegenüber der Anklageschrift erweit­ert wor­den sei und die Anklageschrift den betr­e­f­fend­en Zeitraum zu wenig präzise ein­gren­ze. Dies ver­stosse gegen den Anklage­grund­satz gemäss Art. 29 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1, Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK.

Das Bun­des­gericht weist die Beschw­erde mit Ver­weis auf die Umgren­zungs- und Infor­ma­tions­funk­tion ein­er Anklageschrift (siehe E. 2.3 f.) ab: 

2.5 Die Tatkonkretisierung hat die Auf­gabe, das Gericht an die Anklageschrift zu binden, vor allem insoweit, als die in ihr enthal­te­nen Angaben uner­lässlich sind, um die Tat unver­wech­sel­bar zu kennze­ich­nen. Bei gewerb­smäs­siger Bege­hung wer­den mehrere an sich selb­ständi­ge straf­bare Hand­lun­gen durch die geset­zliche Umschrei­bung im Tatbe­stand zu ein­er rechtlichen Hand­lung­sein­heit ver­schmolzen. Gekennze­ich­net ist die so umschriebene rechtliche Ein­heit objek­tiv durch gle­ichar­tige Hand­lun­gen, die gegen das gle­iche Rechtsgut gerichtet sind und in einem örtlichen und zeitlichen Zusam­men­hang ste­hen und sub­jek­tiv durch einen alle Hand­lun­gen umfassenden Entschluss bzw. Gesamtvor­satz. Wirft die Anklage Gewerb­smäs­sigkeit vor, kommt es deshalb nicht so sehr darauf an, welche einzel­nen Hand­lun­gen dem Angeklagten vorge­wor­fen wer­den kön­nen, son­dern darauf, dass die Umstände die Ver­brechen­sein­heit erken­nen lassen (Urteil 6B_254/2007 vom 10. August 2007 E. 3.2; 118 IV 91 E. 4c; je mit Hin­weisen). Bei solchen “Kollek­tivde­lik­ten” kann daher in gewis­sem Umfang auf eine abschliessende Aufzäh­lung der Fälle verzichtet wer­den. Andern­falls würde der Angeklagte, dem Delik­te in gross­er Zahl vorge­wor­fen wer­den, gegenüber dem nur vere­inzelt Straf­fäl­li­gen begün­stigt (Urteil 6B_528/2007 vom 7. Dezem­ber 2007 E. 2.15 mit Hinweisen).