B‑420/2008: Verfügung der Weko iS Strassenbeläge Tessin bestätigt (Submissionskartell; KG 5 III a und c) (amtl Publ)

Das BVer­wGer schützt die Ver­fü­gung der Weko iS Strassen­beläge Tessin vom (RPW 2008 I [pdf], 50 ff.)  (vgl. auch die Medi­en­mit­teilung des BVer­wGer vom 16. Juni 2010, pdf).
Die Imple­nia AG hat­te vor BVer­wGer die Ver­fü­gung der Weko ange­focht­en, welche die Kartell­rechtswidrigkeit von Absprachen im Tessin­er Markt für Strassen­beläge u.a. wegen ein­er Mark­taufteilung iSv KG 5 III c fest­gestellt und ver­boten hatte.
Zunächst schützte das BVer­wGer das Vorge­hen der Weko, die Kartell­rechtswidrigkeit zu unter­sagen, obschon auf den Ver­stoss altes Recht anwend­bar und eine direk­te Sank­tion­ierung aus­geschlossen war:

Nach dem Gesagten macht es Sinn, auch diejeni­gen Ver­hal­tensweisen zu unter­suchen, die innert der von der Schluss­bes­tim­mung vorge­se­henen Frist aufgelöst wur­den, und, sofern eine kartell­rechtliche Unzuläs­sigkeit fest­gestellt wurde, die Anwen­dung solch­er Prak­tiken, unter Sank­tion­san­dro­hung nach Art. 50 KG im Zuwider­hand­lungs­fall, zu verbieten.”

Das BVer­wGer prüft die Konkretisierung des Wet­tbe­werb­s­be­griffs und ander­er offen­er Begriffe des KG durch die Weko (welche die Auf­gabe hat, das KG zu konkretisieren und die Wet­tbe­werb­spoli­tik zu for­mulieren) nur mit Zurück­hal­tung (vgl. auch BGE 135 II 60 E. 3.2.3 und das Urteil 2050/2007 des BVer­wGer, E. 5.6, S. 82, zur EMRK-Kon­for­mität der Kog­ni­tion­sausübung durch das BVerwGer).

In der Sache ging die Weko zu Recht vom Vor­liegen ein­er Hori­zon­al­abrede aus. Gegen­stand der Abrede war die Aufteilung der Aufträge durch ein Rota­tion­ssys­tem und die Fes­tle­gung der Preise (Sub­mis­sion­s­ab­sprache). Durch regelmäs­sige Sitzung­steil­nahme hat­ten die Parteien ihr Inter­esse gezeigt, an der Abrede im Sinne eines Gentleman’s Agree­ment teilzunehmen. Die Weko durfte daher die Ver­mu­tungs­ba­sis von KG 5 III a und c als erstellt anse­hen. Dafür wäre die Prü­fung der Auswirkun­gen der Abrede nicht erforder­lich; die Exis­tenz der Abrede genügt. Den­noch hat­te die Weko auch die Umset­zung der Abrede geprüft und bejaht — eine Frage, die auch erst bei der Wider­legung der Ver­mu­tung hätte geprüft wer­den kön­nen (wie das BVer­wGer erwäh­nt, entspricht dies dem Vorge­hen der Weko und auch jen­em des BGer im Buch­preis­bindungs­fall).

Die Weko hat­te die Ver­mu­tung der Besei­t­i­gung wirk­samen Wet­tbe­werbs zu Recht als nicht wider­legt erachtet:

Im rel­e­van­ten Markt — sach­lich: erstens der Markt für Belagspro­duk­tion, zweit­ens der Markt für Strassen- und Belags­bau; örtlich: Kan­ton Tes­sion) bestand zunächst kein aus­re­ichen­der Aussen­wet­tbe­werb, wed­er aktuell noch poten­tiell: 17 der 18 aktiv­en Unternehmen waren an der Absprache beteiligt, und ein Mark­tein­tritt neuer Anbi­eter fand nicht statt und schien offen­bar nicht wahrscheinlich. 

Auch aus­re­ichen­der Innen­wet­tbe­werb fehlte. Die Preis­ab­sprache betraf den entschei­den­den Wet­tbe­werb­s­fak­tor, den Preis. Im Gegen­satz zB zum Buch­pre­is­fall war ein Wet­tbe­werb über andere Para­me­ter (zB Qual­ität) nahezu aus­geschlossen, weil die Sub­mis­sions­be­din­gun­gen diese Para­me­ter fes­tlegten und dem Wet­tbe­werb damit entzogen.

Dass neben der Absprache ein Rest­wet­tbe­werb von ca. 40% verbliebt, änderte daran nichts, weil der rel­e­vante Markt in beträchtlich­er Weise bee­in­flusst war. Mark­tan­teile allein sagen über den verbleiben­den Wet­tbe­werb nichts aus, wie auch der Ver­gle­ich mit den Bünd­ner Fahrlehrern zeige (Rest­wet­tbe­werb von 28% als aus­re­ichend beurteilt). 

Dass die Weko dabei die bei­den getren­nten Märk­te gle­ichzeit­ig berück­sichtigt hat­te, ist nach Ansicht des BVer­wGer “vertret­bar”, weil das Mark­tver­hal­ten der Belagsh­er­steller dem Strassen- und Belags­bau­markt unter­ge­ord­net war.

Schliesslich war es nicht erforder­lich, die Schädlichkeit der Absprache eigens zu prüfen. Imple­nia als Beschw­erde­führerin hat­te vorge­bracht, die abge­sproch­enen Preisen hät­ten den Mark­t­preisen entsprochen, die Absprache sei deshalb unschädlich gewe­sen. Allerd­ings ist im Rah­men von KG 5 III eine Prü­fung der Angemessen­heit der ange­bote­nen Preise nicht erforder­lich. Zudem sanken die Preise nach dem Ver­bot der Absprache signifikant. 

Zulet­zt hat­te der Kan­ton Tessin als Mark­t­ge­gen­seite offen­bar keine aus­re­ichende diszi­plin­ierende Wirkung auf das Ver­hal­ten der Parteien der Abrede, namentlich auf­grund man­gel­nder Trans­parenz; der Kan­ton war anscheinend über­haupt nicht in der Lage, die Offer­ten wirk­lich zu beurteilen.

Vgl. auch den Beitrag zu Sub­mis­sion­s­ab­sprachen in der Sendung “Eco” des Schweiz­er Fernse­hens.