6B_835/2009: Gerichtliche Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolge

Gegen X. wurde – anlässlich Strafanzeige und Strafantrag durch ihren Ehe­mann Y. – eine Stra­fun­ter­suchung wegen Dro­hung, Tätlichkeit­en und Miss­brauchs ein­er Fer­n­meldean­lage ein­geleit­et. Das Ver­fahren gegen X. wurde schliesslich eingestellt, da Y. im Rah­men ein­er Eheschutzkon­ven­tion sein Desin­ter­esse an der Weit­er­führung des Strafver­fahrens gegen seine Ehe­frau erk­lärte. Die Ver­fahren­skosten in Höhe von 500,- CHF wur­den ihr indessen aufer­legt. Mit Ver­fü­gung des Einzel­richters wur­den das durch X. erhobene Gesuch um gerichtliche Beurteilung der Kosten­folge abgewiesen und ihr die Gericht­skosten in Höhe von 400,- CHF auferlegt.

Die gegen diese Ver­fü­gung gerichtete Beschw­erde hiess das Bun­des­gericht mit Urteil vom 21. Dezem­ber 2009 (6B_835/2009) gut, wobei es ins­beson­dere die tief­greifend­en Ehep­rob­leme von X. und Y. (siehe die aus­führliche Sachver­halts­darstel­lung unter E. 2.1 und 2.2) in seine Erwä­gun­gen ein­be­zog. Die Beschw­erde­führerin hat­te gerügt, die Koste­nau­flage ver­let­ze die in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK ver­ankerte Unschuldsver­mu­tung und das Willkürver­bot nach Art. 9 BV. Die von ihr zuge­s­tandene Ohrfeige hätte offen­sichtlich nie zu einem Strafver­fahren geführt. Unberück­sichtigt geblieben sei auch, dass diese erfol­gte, nach­dem ihr Ehe­mann sie als Pros­ti­tu­ierte beze­ich­net hatte.

3.2 Fehl gehen die Aus­führun­gen der Vorin­stanz, wonach die Ohrfeige auss­chlaggebend für die Eröff­nung der Stra­fun­ter­suchung war. Die von der Beschw­erde­führerin zuge­s­tandene ein­ma­lige Ohrfeige wäre nur auf Antrag straf­bar gewe­sen. Dabei wäre zu berück­sichti­gen gewe­sen, dass die Tätlichkeit auf eine Beschimp­fung als Pros­ti­tu­ierte fol­gte und daher straf­frei sein kann (vgl. Art. 177 Abs. 3 StGB). Die ein­ma­lige Ohrfeige der physisch erwiesen­er­massen unter­lege­nen Ehe­gat­tin hätte offen­sichtlich nicht zu ein­er Strafver­fol­gung von Amtes wegen geführt. Aus­lös­er für das Strafver­fahren waren klar­erweise die mas­siv­en Vor­würfe in der Strafanzeige des Ehe­manns der Beschw­erde­führerin, welch­er diese der häus­lichen Gewalt gegen ihn und ihren gemein­samen Sohn sowie der Dro­hung beschuldigte, und der Strafantrag wegen Miss­brauchs ein­er Fer­n­meldean­lage. Willkür­lich wäre es daher, der Beschw­erde­führerin einzig wegen der Ohrfeige die Ver­fahren­skosten aufzuerlegen.

Das Bun­des­gericht fol­gte der Vorin­stanz zwar insoweit, als die Behör­den auf­grund der Anschuldigun­gen des Ehe­manns verpflichtet waren, ein Strafver­fahren einzuleit­en. Sie mussten den angezeigten Gewalt­tätigkeit­en und Dro­hung sowie dem Strafantrag wegen Miss­brauchs ein­er Fer­n­meldean­lage nachge­hen. Davon zu unter­schei­den sei jedoch die Frage der Kos­ten­tra­gung, wenn das Ver­fahren in der Folge gestützt auf Art. 55a StGB eingestellt wird.

4.3 Für die Kosten- und Entschädi­gungs­fol­gen gelan­gen die kan­tonalen Ver­fahrens­bes­tim­mungen zur Anwen­dung. Die Ein­stel­lung des Ver­fahrens gestützt auf Art. 55a StGB hat in der Regel eine Koste­nau­flage zu Las­ten des Staates zur Folge. Eine Abwe­ichung von dieser Regelung recht­fer­tigt sich, wenn das straf­bare Ver­hal­ten des Täters bewiesen ist, was namentlich der Fall ist, wenn dieser geständig ist. […] Unzuläs­sig ist hinge­gen eine analoge Anwen­dung der Bes­tim­mungen über die Kosten­folge beim Rück­zug des Strafantrags, da die in den Anwen­dungs­bere­ich von Art. 55a StGB fal­l­en­den Delik­te von Amtes wegen zu ver­fol­gen sind […]. Grund­sät­zlich eben­falls anwend­bar sein kön­nen die kan­tonalen Bes­tim­mungen über die Kos­ten­tra­gung bei schuld­hafter Verur­sachung der Stra­fun­ter­suchung durch den Angeschuldigten (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StPO/ZH).

4.4 Vor­liegend wur­den die Behör­den einzig auf­grund der Anzeige von Y. tätig. Die Ehe­gat­ten befan­den sich in ein­er hefti­gen Ehekrise, was sich in gegen­seit­i­gen Anschuldigun­gen äusserte. Damit ein­her geht oft eine Mis­sach­tung der ehe­lichen Treue- und Bei­s­tand­spflicht durch bei­de Ehe­gat­ten. Beweise für die von Amtes wegen zu ver­fol­gen­den Tat­en fehlen. Es ist daher stossend, für die Kosten­folge nur die Frage nach dem Ver­schulden des angezeigten Ehe­gat­ten zu prüfen und diesem mit Ver­weis auf die Ver­let­zung der ehe­lichen Treue- und Bei­s­tand­spflicht die Ver­fahren­skosten aufzuer­legen. Eine solche ein­seit­ige Prü­fung der Ver­schuldens­frage kommt ein­er unzuläs­si­gen Verurteilung in der Sache gle­ich und ver­stösst gegen die Unschuldsver­mu­tung nach Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Willkür­lich ist es zudem, in Fällen in denen die Ehe­gat­ten, wie vor­liegend, seit län­ger­er Zeit ihre ehe­liche Treue- und Bei­s­tand­spflicht gegen­seit­ig regelmäs­sig ver­let­zen, für die Koste­nau­flage auf isolierte, spon­tan zuge­s­tandene Ereignisse abzustellen. Zu berück­sichti­gen ist überdies, dass Y. gegen die Beschw­erde­führerin wegen Miss­brauchs ein­er Fer­n­meldean­lage Strafantrag stellte und das Ver­fahren dies­bezüglich nicht gestützt auf Art. 55a StGB, son­dern einzig zufolge Rück­zugs des Strafantrags eingestellt wurde. Die Rüge der Ver­let­zung der Unschuldsver­mu­tung und des Willkürver­bots ist begründet.