6B_10/2009: Geldstrafe anstatt Freiheitsstrafe?

Das Bun­des­gericht hat eine Beschw­erde teil­weise gut­ge­heis­sen, mit der sich zwei Mit­täter gegen ihre Verurteilung wegen gewerb­smäs­si­gen Wuch­ers gemäss Art. 157 StGB richteten (Urteil 6B_10/2009 vom 6. Okto­ber 2009). Die Vorin­stanz hat­te nicht aus­re­ichend dargelegt, warum sie auf eine Frei­heitsstrafe statt ein­er Geld­strafe erkannte.

Zunächst stellt das Bun­des­gericht in Übere­in­stim­mung sein­er jün­geren Recht­sprechung klar, „dass neues Recht auch anwend­bar ist, wenn die Prü­fung ergeben hat, dass der allein nach dem neuen Recht mögliche bed­ingte beziehungsweise teilbe­d­ingte Vol­lzug der Frei­heitsstrafe und/oder der Geld­strafe nicht gewährt wer­den kann, weil im konkreten Fall die Prog­nose ungün­stig ist“:

4.4 […] Das neue Recht ist somit bere­its anwend­bar, wenn die Aus­fäl­lung ein­er Geld- statt ein­er Frei­heitsstrafe nach neuem Recht möglich ist, auch wenn dies im konkreten Fall unterbleibt. Das neue Recht ist milder, weil die Möglichkeit der Aus­fäl­lung ein­er Geld­strafe von den Behör­den zu prüfen ist. Im vor­liegen­den Fall ist somit neues Recht anzuwen­den. Anzufü­gen bleibt, dass die Vorin­stanz, obwohl sie das alte Recht angewen­det hat, für die Gewährung des bed­ingten Strafvol­lzugs nicht geprüft hat, ob den Beschw­erde­führern im Sinne von Art. 41 aSt­GB eine gün­stige Prog­nose gestellt wer­den kann. Auch in dieser Frage erweist sich das neue Recht als milder, indem für die Gewährung des bed­ingten Strafvol­lzugs gemäss Art. 42 StGB lediglich das Nichtvorhan­den­sein ein­er schlecht­en Prog­nose (und nicht eine gün­stige Prog­nose) voraus­ge­set­zt wird. Die Rüge erweist sich als begründet.

Im Anschluss äussert sich das Bun­des­gericht zu der Frage, auf welche Sank­tion zu erken­nen ist, wenn mehrere Stra­farten in Frage kom­men, ob dem Richter in dieser Hin­sicht ein erhe­blich­es Ermessen zuste­he und im welchem Umfang die Entschei­dung zu begrün­den sei:

5.2.2 Der Vorin­stanz ste­ht in der Wahl der Sank­tion­sart ein Ermessen zu. Mit Blick auf die bun­des­gerichtliche Recht­sprechung hat die Vorin­stanz jedoch konkret zu prüfen und auch zu begrün­den, weshalb im Einzelfall eine Geld­strafe unzweck­mäs­sig und stattdessen eine Frei­heitsstrafe auszus­prechen ist. Die Begrün­dungspflicht reicht freilich nicht soweit, wie dies Art. 41 Abs. 2 StGB hin­sichtlich der Aus­fäl­lung kurz­er Frei­heitsstrafen unter sechs Monat­en ver­langt. Allerd­ings soll­ten die Beweg­gründe des Gerichts für die eine oder andere Sank­tions­form aus dem Urteil ersichtlich sein, was hier nicht zutrifft.

Schliesslich geht das Bun­des­gericht darauf ein, welchen Ein­fluss es auf die Urteils­find­ung hat, wenn die Einkom­mens- und Ver­mö­gensver­hält­nisse des Täters nicht zuver­läs­sig fest­gestellt wer­den können.

5.3.1 Das Bun­des­gericht hat sich bis­lang noch nicht aus­drück­lich zur Frage geäussert, in welch­er Weise der Tages­satz zu ermit­teln ist, wenn die finanziellen Ver­hält­nisse des Täters geschätzt wer­den müssen, weil ihre genaue Fest­stel­lung nicht möglich ist oder er dazu nur unzure­ichende oder unge­naue Angaben macht. In einem neueren Entscheid hat es immer­hin aus­ge­führt, dass in diesen Fällen im Sinne eines Hil­f­sar­gu­ments das Kri­teri­um des Leben­saufwands herange­zo­gen wer­den kann. So erscheint die Annahme eines erhöht­en Tages­satzes dort als gerecht­fer­tigt, wo ein ersichtlich hoher Leben­saufwand mit einem auf­fäl­lig tiefen Einkom­men kon­trastiert (BGE 134 IV 60 E. 6.3).
5.3.2 […] Schwierigkeit­en bei der Fest­stel­lung der finanziellen Ver­hält­nisse genü­gen für sich allein indes nicht, um von der Aus­fäl­lung ein­er Geld­strafe abzuse­hen und stattdessen eine Frei­heitsstrafe auszus­prechen. Das ange­focht­ene Urteil ver­let­zt in diesem Punkt Bun­desrecht. Die Vorin­stanz wird im neuen Ver­fahren die Einkom­mens- und Ver­mö­gensver­hält­nisse der Beschw­erde­führer abzuk­lären oder gegebe­nen­falls zu schätzen haben. Sie wird auf eine Frei­heitsstrafe nur erken­nen kön­nen, wenn aus Grün­den der Zweck­mäs­sigkeit eine Geld­strafe nicht vorzuziehen ist, wobei dies hin­re­ichen­der Begrün­dung bedarf.