2C_110/2008: § 2 Abs. 2 Gebührenverordnung des OGer ZH verfassungskonform

Die neue Verord­nung über die Gerichts­ge­bühren (GebV/ZH) bes­timmt in § 2 Folgendes:

1 Grund­lage für die Fest­set­zung der Gebühren bilden der Stre­itwert bzw. das tat­säch­liche Stre­it­in­ter­esse, der Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls.
2 Bei offen­sichtlichem Missver­hält­nis zwis­chen Stre­itwert und tat­säch­lichem Stre­it­in­ter­esse bemisst sich die Gebühr nach dem höheren der bei­den Werte.
3 In den Gerichts- und Staats­ge­bühren sind die Schreib- und Zustell­ge­bühren, die Gebühren für die Vor­ladun­gen und die Kosten für Telekom­mu­nika­tion enthalten.”

Diese Regel wurde (auf dem Weg ein­er direk­ten Beschw­erde ans Bun­des­gericht nach BGG 87) als ver­fas­sungswidrig ange­grif­f­en, weil sie dazu führe, dass die Gerichts­ge­bühren bei Teilk­la­gen nicht mehr nach dem Stre­itwert, son­dern immer nach dem höheren tat­säch­lichen Stre­it­in­ter­esse bemessen wer­den müssen; dies ver­let­ze Art. 18 Abs. 1 KV/ZH, Art. 8 BV und Art. 14 EMRK, Art. 29 und 29a BV und Art. 6 und 13 EMRK bzw. Art. 14 UNO-Pakt II, fern­er abgaberechtliche Grund­sätze (Art. 127 Abs. 2 BV) und ver­stosse gegen die bun­des- und kan­ton­al­rechtlich gewährleis­tete Dis­po­si­tion­s­maxime, den Grund­satz des sozialen Zivil­prozess­es und die Stre­itwertregelung gemäss § 18 Abs. 1 ZPO/ZH. Hin­ter­grund war anscheinend ein kom­plex­er Haftpflicht­fall; es müsse dem Kläger hier möglich sein, die Grund­frage der Haf­tung mit ein­er Teilk­lage gerichtlich beurteilen zu lassen, ohne das volle Kosten­risiko tra­gen zu müssen.

Das BGer wider­spricht dieser Auf­fas­sung:

Es lässt zunächst offen, ob die angerufe­nen Garantien das gel­tend gemachte Inter­esse über­haupt schützen. Jeden­falls habe das BGer der Gegen­partei ein­er Teilk­lage ein rechtlich­es Inter­esse zuerkan­nt, durch Widerk­lage den Nichtbe­stand des ganzen behaupteten Anspruchs fest­stellen zu lassen, so dass sich der für die Berech­nung der Gericht­skosten und Parteientschädi­gun­gen mass­gebende Betrag nach dem gesamten Wert des Rechtsver­hält­niss­es bemisst; der Kläger habe insoweit hinzunehmen, dass das gerin­gere Kosten­risiko Ergeb­nis durchkreuzt wird.

Entschei­dend war aber, dass die Ausle­gung von § 2 Abs. 2 GebV/ZH nicht auf eine Weise aus­gelegt wird, wie es die Beschw­erde­führer befürcht­en. Das BGer hat mit Bezug auf den Kan­ton Luzern fest­ge­hal­ten, dass das wirtschaftliche Inter­esse (das entspricht dem tat­säch­lichen Stre­it­in­ter­esse) bei der Gel­tend­machung ein­er ersten Rate ein­er Kauf­pre­is­forderung nicht auch die restlichen Rat­en umfasst. Zudem hat das OGer ZH erk­lärt, bei Teilk­la­gen bemesse sich die Gerichts­ge­bühr nach dem Stre­itwert gemäss Rechts­begehren und nicht nach einem ange­blichen wirtschaftlichen Inter­esse. An dieser dieser Ausle­gung — wonach sich bei Teilk­la­gen das tat­säch­liche Inter­esse grund­sät­zlich nicht auf den Gesamt­be­trag des Anspruchs erstreckt — sei festzuhalten: 

Denn der Kläger erhält beim Obsiegen mit ein­er Teilk­lage nur einen Titel über den entsprechen­den Teilanspruch. Wegen der weit­erge­hen­den Forderun­gen, die nicht Gegen­stand der Teilk­lage waren, wird er möglicher­weise zusät­zlich kla­gen müssen […]. Die Gerichte sind in Bezug auf die erst später gel­tend gemacht­en Forderun­gen nicht an ihre Erwä­gun­gen im Urteil über die Teilk­lage gebun­den.[…] In Recht­skraft erwächst bei einem Urteil über eine Teilk­lage lediglich der eingeklagte Teilanspruch […]. Auch die Ver­jährung wird bei ein­er Teilk­lage regelmäs­sig nur bezüglich des eingeklagten Teilanspruchs unterbrochen […].”