4A_442/2007: Auslegung von AVB (Bewertung der Schwere von Verletzungen)

Die Klägerin forderte nach einem schw­eren Reitun­fall die ver­traglichen Leis­tun­gen von ein­er pri­vat­en Unfal­lver­sicherung. Das BGer, das den Sachver­halt nicht frei prüfen kon­nte, weil keine UVG-Leis­tung strit­tig war, legt die AVB aus und weist die Beschw­erde ab.

Nach den anwend­baren AVB galt, dass sich die Inva­lid­itätssumme nach der vere­in­barten Ver­sicherungssumme bemisst, allen­falls der nach der vere­in­barten Pro­gres­sionsvari­ante und dem Inva­lid­itäts­grad. Danach wer­den für den Ver­lust bes­timmter Glieder oder Organe Prozentsätze fest­ge­set­zt (Zif­fer 1), die voll­ständi­ge Gebrauch­sun­fähigkeit wird dem Ver­lust gle­ichgestellt (Zif­fer 2) und bei teil­weisem Ver­lust oder teil­weis­er Gebrauch­sun­fähigkeit gilt ein entsprechend gerin­ger­er Prozentsatz (Zif­fer 3). Zif­fer 4 bestimmt: 

Bei vorste­hend nicht aufge­führter Beein­träch­ti­gung der Gesund­heit erfol­gt die Bes­tim­mung des Inva­lid­itäts­grades auf­grund ärztlich­er Fest­stel­lun­gen in Anlehnung an die obi­gen Prozentsätze”. 

Sind mehrere Kör­perteile oder Organe betrof­fen, wer­den die Prozentsätze zusam­mengezählt. Der Inva­lid­itäts­grad kann aber nie mehr als 100 % betra­gen (Zif­fer 5).

Nach der Ausle­gung des BGer wird die Bew­er­tung des Grades der Inva­lid­ität­sein­busse nicht an eine ärztliche Beurteilung delegiert; es wird lediglich die Ori­en­tierung an der Bew­er­tung nach Art. 12 lit. c Zif­fer 1 AVB vorge­se­hen. Die Regelung von Zif­fer 4 kann nach Treu und Glauben nur so ver­standen wer­den, dass die Art und die Auswirkun­gen ein­er nicht aus­drück­lich genan­nten Beein­träch­ti­gung mit ein­er fachärztlichen Begutach­tung festzustellen und gestützt darauf zu beurteilen ist, inwiefern die Schwere der Beein­träch­ti­gung den aus­drück­lich bew­erteten entspricht.

Die Vorin­stanz hat­te Art und Auswirkun­gen der Hirn­ver­let­zun­gen gestützt auf die ärztlichen Ein­schätzun­gen mit 70 % bew­ertet. Sie hat dazu ergänzend die SUVA-Tabelle über den Integritätss­chaden bei psy­chis­chen Fol­gen beige­zo­gen, was nicht bean­standet wurde. Gestützt darauf schloss die Vorin­stanz, dass psy­chis­che Störun­gen nach Hirn­ver­let­zun­gen auch Per­sön­lichkeitsverän­derun­gen umfassen und dass die schw­er­wiegen­den Verän­derun­gen bei der Klägerin im Rah­men dieser Posi­tion zu berück­sichti­gen seien. Sie wich dabei von einem als wider­sprüch­lich beurteil­ten Gutacht­en ab. 

Das BGer schützt dieses Vorgehen: 

Die Vorin­stanz hat den bun­desrechtlichen Grund­satz der Ver­tragsausle­gung nach dem Ver­trauensgrund­satz nicht ver­let­zt, wenn sie die Bew­er­tung der Schwere der Hirn­leis­tungs­de­fizite der Beschw­erdegeg­ner­in in Würdi­gung der fachärztlichen Fest­stel­lun­gen vor­nahm und dabei die SUVA-Tabelle als bloss­es Hil­f­s­mit­tel, nicht aber als verbindliche Vor­gabe beizog. Dabei hat sie die Aus­sagen des Gerichtsgutachters in vertret­bar­er Weise und keineswegs willkür­lich gewürdigt, wenn sie daraus ent­nom­men hat, dass die Auswirkun­gen der Hirn­leis­tungs­de­fizite der Beschw­erdegeg­ner­in mit 70 % zu bew­erten sind, sofern der Per­sön­lichkeitsverän­derung in diesem Rah­men ein grösseres Gewicht beigemessen wird.”