5C.282/2006: Urteilsunfähigkeit bei der Testamentserrichtung

Nach­dem der 82-jährige Erblass­er ein erstes Tes­ta­ment durch ein zweites Tes­ta­ment in der Form der öffentlichen Ver­fü­gung erset­zt hat­te, das X. nicht mehr berück­sichtigte, klagte u.a. X. auf Ungültigkeit des zweit­en Tes­ta­ments. Die Klage wurde auf der Grund­lage mehrerer Zeu­ge­naus­sagen wegen Urteil­sun­fähigkeit des Erblassers von der Cour Civ­il VD gutgeheissen.

Wie das BGer fes­thielt, durften die Vorin­stanzen davon aus­ge­hen, dass (1) der Erblass­er zur Zeit der Tes­ta­mentser­rich­tung mit Bezug auf diese Errich­tung nicht urteils­fähig erschien, und dass (2) der Gegen­be­weis des lucidum inter­val­lum nicht gelun­gen war. Die Zeu­ge­naus­sage des Notars, der offen­bar den Ein­druck hat­te, der Erblass­er sei dur­chaus testier­fähig gewe­sen, wurde nur schwach gewichtet, weil sich der Notar bei der Tes­ta­mentser­rich­tung ohne­hin ein Bild von der Testier­fähigkeit machen musste und im Nach­hinein nur schw­er­lich sagen kon­nte, er habe sich damals geir­rt. Auch der eher sim­ple Inhalt des Tes­ta­ments kon­nte die Ver­mu­tung der Urteil­sun­fähigkeit nicht wider­legen, denn auch ein sim­ples Tes­ta­ment stellt hohe Anforderun­gen an die Urteilsfähigkeit:

Si la rédac­tion d’un tes­ta­ment compte par­mi les actes les plus exigeants, ce n’est pas fon­da­men­tale­ment à cause de la com­plex­ité éventuelle de ses dis­po­si­tions, mais parce qu’elle pré­sup­pose la capac­ité d’a­gir de façon cohérente; en d’autres ter­mes, tester n’est pas seule­ment affaire de sym­pa­thie et de per­sis­tance d’un tel sen­ti­ment, c’est aus­si exercer un choix dans son réseau de rela­tions humaines et accom­plir un acte con­cret de dis­po­si­tion sur des valeurs (Jean Nico­las Druey, in: PJA 6/98, p. 735 ch. 5).”

Daran änderte auch die Tes­ta­ments­form nichts. Zwar gilt ZGB 9 für öffentliche Ver­fü­gun­gen, doch gehört die Aus­sage der Zeu­gen, der Zeuge habe sich nach ihrer Wahrnehmung im Zus­tande der Ver­fü­gungs­fähigkeit befun­den (ZGB 501 II), nicht zur Urkunde i.e.S.; dadurch ist der Richter nicht gebunden.