4A_328/2007: Haftungsquote; Abgrenzung Beschwerde in Zivil- und in Strafsachen (amtl. Publ.)

B. über­fuhr zwis­chen 1.45 und 2.15 Uhr mor­gens in angetrunk­en­em Zus­tand (zwis­chen 1,33 und 2,15 Gewicht­spromille) den auf der Strasse liegen­den, eben­falls stark alko­holisierten C. Das BezGer AG verurteilte B. wegen fahrläs­siger Tötung, Führens eines Motor­fahrzeugs in angetrunk­en­em Zus­tand und fahrläs­siger Fahrerflucht und stellte fest, dass er zu 100% hafte. Auf Beru­fung erkan­nte das OGer AG auf eine Haf­tungsquote von 80%.

Das BGer weist die dage­gen gerichtete Beschw­erde der Witwe des Opfers ab.

Fraglich war zunächst die Zuläs­sigkeit der Beschw­erde in Zivil­sachen. Nach BGG 78 II a sind auch Entschei­de in Zivil­sachen mit Beschw­erde in Straf­sachen anfecht­bar, wenn sie zusam­men mit der Straf­sache zu behan­deln sind. Unklar ist aber, welch­er Zeit­punkt mass­gebend ist. Wie das BGer hier fes­thält, ist die Beschw­erde in Straf­sachen zuläs­sig, wenn die let­zte kan­tonale Instanz über den Straf- wie den Zivilpunkt befun­den hat oder hätte befind­en müssen:

Denn die Recht­suchen­den müssen wis­sen, welch­es Rechtsmit­tel sie ergreifen kön­nen, und sie haben Anspruch darauf, dass ihnen die Rechtsmit­tel­frist in vollem Umfang zur Ver­fü­gung ste­ht. Wäre entschei­dend, ob erst im Rechtsmit­telver­fahren vor Bun­des­gericht Straf- und Zivilpunkt zusam­men zu behan­deln seien, so hätte die Zivil­partei die Beschw­erde in Zivil­sachen zu ergreifen, wenn der Straf­punkt nicht ange­focht­en wird. Sie hätte dage­gen Beschw­erde in Straf­sachen einzure­ichen, wenn von ein­er anderen Partei Beschw­erde in Straf­sachen erhoben wird, um den Straf­punkt in Frage zu stellen. Es stünde damit unter Umstän­den erst nach Ablauf der 30-tägi­gen Beschw­erde­frist von Art. 100 Abs. 1 BGG fest, welche Beschw­erde der Zivil­partei zur Ver­fü­gung ste­ht.(…)
Auch diese Lösung ist zwar nicht frei von Inko­hären­zen. Die Beschw­erde in Zivil­sachen ist grund­sät­zlich nur zuläs­sig, wenn der Stre­itwert von Fr. 30’000.– erre­icht ist (Art. 74 BGG), während die Beschw­erde in Straf­sachen keinen Stre­itwert voraus­set­zt. (…) Wenn vor der let­zten kan­tonalen Instanz nur noch der Zivilpunkt stre­it­ig ist, kann sie (…) die Beschw­erde in Zivil­sachen in der Regel nur ergreifen, wenn ihre Forderung mehr als Fr. 30’000.– beträgt; son­st ste­ht ihr nur noch die sub­sidiäre Ver­fas­sungs­beschw­erde mit beschränk­ten Rügen offen (vgl. Art. 116 BGG). (…)” 

Der Ein­wand der Beschw­erde­führerin, das Opfer könne nicht nur wegen des Alko­holkon­sums, son­dern auch aus anderen Grün­den auf der Strasse gele­gen haben, ging fehl (Beweiswürdi­gung). Auch die Gewich­tung der Ver­schulden­san­teile durch die Vorin­stanz war im Ergeb­nis nicht zu beanstanden:

Die Vorin­stanz hat zunächst zutr­e­f­fend berück­sichtigt, dass das Opfer ein Selb­stver­schulden trifft und dass es ins­beson­dere bei ein­er Blutalko­holkonzen­tra­tion von 2,3 Gewicht­spromillen eine allfäl­lige Urteil­sun­fähigkeit schuld­haft selb­st her­beiführte, indem es im Wis­sen um die noch anste­hende Heimkehr über­mäs­sig Alko­hol kon­sum­ierte. Zwar ist der Beschw­erde­führerin beizupflicht­en, dass die Aufteilung der Haf­tungsquoten wenig plau­si­bel erscheint, wenn der Beschw­erdegeg­ner­in für das Fahren in angetrunk­en­em Zus­tand eine Quote von 30 %, dem Opfer als Selb­stver­schulden jedoch nur eine ger­ingfügig unbe­deu­ten­dere von 20 % ange­lastet wird. Die Aufteilung ist jedoch im Ergeb­nis nicht zu bean­standen. Die Vorin­stanz hat zu Recht erwogen, dass das Ver­schulden desjeni­gen, der in alko­holisiertem Zus­tand als Fuss­gänger am Verkehr teil­nimmt, weit geringer zu bew­erten ist, als desjeni­gen, der dies als Lenker eines Motor­fahrzeugs tut. Sie hat denn auch im Ergeb­nis der Beschw­erdegeg­ner­in ein Ver­schulden von 50 % angerech­net, indem sie ihr noch 20 % für das Nicht­be­herrschen des Fahrzeugs anlastete. Beim Opfer hat sie zwar den über­mäs­si­gen Alko­holkon­sum, jedoch nicht aus­drück­lich zusät­zlich noch das verkehrsregel­widrige Ver­hal­ten berück­sichtigt, obwohl auch dieses sich völ­lig unangemessen ver­hielt, indem
es sich auf die Strasse legte und dort liegen blieb.”